Handling von Knochenzement – Praktische Tipps für den OP

Nicht nur für die Chirurgen ist es wichtig zu wissen, wie man beispielsweise bei der Implantation einer Hüftprothese richtig zementiert, sondern auch für das OP- und Anästhesiepersonal. Im Rahmen der Ausbildung zum Operationstechnischen und Anästhesietechnischen Assistenten kommt man bereits in Kontakt mit dem Thema Zementieren. Je nachdem, wohin es einen nach der Ausbildung verschlägt, wird es einen auch weiterhin begleiten – beispielsweise in Kliniken mit den Fachbereichen Orthopädie und Unfallchirurgie.

Disclaimer am Rande: Da ich einen Zementier-Workshop der Firma Heraeus Medical GmbH besucht habe, die auch in sehr vielen Kliniken häufig vertreten ist, schreibe ich den Beitrag auch abgestimmt auf die von dieser Firma produzierten Materialien. Ich erhalte hierfür keinerlei Aufwandsentschädigungen, Bezahlungen oder ähnliches, dennoch muss ich den Beitrag an dieser Stelle als „Werbung“ kennzeichnen, wenngleich sich für mich daraus kein Vorteil ergibt. Natürlich gibt es auch noch andere Hersteller für medizinischen Zement und das dafür benötigte Zubehör, wie z.B. Medtronic oder Joline.

 

Grundlagen zum Knochenzement

Kommen wir zunächst einmal zu den Grundlagen, bevor wir uns mit dem Thema „Handling von Knochenzement“ genauer befassen:

Beim Zementieren werden Implantate, Prothesen oder andere medizinische Komponenten mithilfe eines medizinischen Zements im Körper fixiert. Ziel ist eine stabile, langfristige Verbindung zwischen dem Implantat und dem umliegenden Gewebe oder Knochen. Genau genommen handelt es sich beim Knochenzement um ein persönliches Implantat aufgrund der individuellen Anpassungsfähigkeit an den jeweiligen Knochen, das vom OP-Personal hergestellt wird.

Er dient der mechanischen Verankerung, sodass er aufgrund seiner hohen Stabilität und wie eine Art Stoßdämpfer Flexibilität wirken kann. Im Rahmen eines Spacers kann er beispielsweise auch als Füllmaterial verwendet werden. Ist Antibiotikum beigemischt, so wird dieses lokal abgegeben, um das Infektionsrisiko zu reduzieren, was insbesondere bei Revisionseingriffen von Vorteil ist.

 

Palacos Zement der Firma Heraeus Medical. OTA-franzi.de
Palacos Zement der Firma Heraeus Medical. OTA-franzi.de

 

Um Zement herzustellen, werden zwei Komponenten benötigt – ein Pulver und eine Flüssigkeit. Bei dem Pulver handelt es sich um ein sogenanntes Polymerpulver, welches bei Heraeus Medical aus Poly-(Methylacrylat, Methylmethacrylat), Zirkoniumdioxid, Benzoylperoxid und einem Farbstoff besteht.  Die Monomerflüssigkeit besteht aus Methylmethacrylat, N,N-Dimethyl-p-toluidin, Hydrochinon und ebenfalls einem Farbstoff. Die beiden Farbstoffe ergeben den für Heraeus Medical typischen Grünton. Andere Zementhersteller haben beispielsweise keinen Farbstoff beigemischt.

Genau genommen handelt es sich also um einen Kunststoff (ähnlich wie Plexiglas), der nach dem Anmischen rasch aushärtet.

Im Rahmen der Herstellung des Knochenzements entsteht eine exothermische Reaktion, sprich der Zement wird beim Aushärten heiß. Wird der Zement gekühlt gelagert, so verlängert sich die Verarbeitungszeit. Dementsprechend verkürzt sie sich, je wärmer er ist. Auch durch mechanisch zugefügte Wärme, beispielsweise durch den Anmischvorgang, wird die chemische Reaktion beeinflusst.

 

Anwendungsgebiete von Knochenzement

Knochenzement wird vorwiegend in der Endoprothetik und Wirbelsäulenchirurgie sowie zum Auffüllen und Stabilisieren von Knochendefekten verwendet.

In der Endoprothetik wird Zement häufig verwendet, um z. B. Hüft- oder Knieprothesen im Knochen zu verankern. Zementierte Prothesen bieten besonders bei älteren Patienten mit osteoporotischen Knochen und geringer Knochendichte eine sofort belastbare und stabile Lösung. So ist eine frühzeitige Mobilisierung möglich, was wiederum das Risiko einer periprothetischen Fraktur senkt.

Im Rahmen der Wirbelsäulenchirurgie wird niedrigviskoser Zement beispielsweise im Rahmen einer Kyphoplastie oder Vertebroplastie verwendet. Hierbei wird Zement in den gebrochenen Wirbelkörper eingebracht, um diesen zu stabilisieren. Neben diesen beiden Verfahren können auch die Pedikelschrauben im Rahmen einer dorsalen Instrumentierung augmentiert – also zementiert werden. Ist von vornherein eine schlechte Knochenqualität bekannt oder wird diese intraoperativ festgestellt, können spezielle Pedikelschrauben augmentiert werden, um eine Lockerung der Schrauben oder gar Auswandern der Schrauben aus dem Wirbelkörper vorzubeugen.

 

Zementspritzen mit Kyphonzement für die Wirbelsäulenchirurgie. OTA-franzi.de
Zementspritzen mit Kyphonzement für die Wirbelsäulenchirurgie. OTA-franzi.de

 

Zementier-Systeme (von Heraeus Medical)

Am bekanntesten dürfte von der Firma Heraeus Medical sicherlich das Palamix-System sein. Dieses wird vorwiegend zum Anmischen unter Vakuum verwendet, es kann aber auch als elegante Alternative zum vakuumfreien Anmischen, beispielsweise im Rahmen der Spacerherstellung, genutzt werden. Hierbei wird der Zement in einer Kartusche vom instrumentierenden OTA unter Vakuum angemischt und im Anschluss mittels Zementpistole ins jeweilige OP-Gebiet appliziert.

 

Zementpistole der Firma Heraeus Medical Quelle: https://www.heraeus-medical.com/de/healthcare-professionals/products/palamix/
Zementpistole der Firma Heraeus Medical
Quelle: https://www.heraeus-medical.com/de/healthcare-professionals/products/palamix/

 

Neben dem Palamix-System gibt es auch sogenannte All-in-One Systeme. Der Unterschied zum Palamix ist hierbei, dass die Zementkomponenten bereits in diesem geschlossenen System enthalten sind und nicht noch von Extern hinzugefügt werden müssen. Dieses Verfahren soll das Risiko einer möglichen Kontamination des Knochenzementes reduzieren, da hierbei weitere Schritte wie z.B. das Öffnen der Zementkomponenten gespart werden. Auch kann durch dieses geschlossene Verfahren eine Veränderung der Zusammensetzung, z.B. durch Verschütten des Polymerpulvers, vermieden werden.

Zu guter Letzt gibt es natürlich auch noch die Möglichkeit Zement händisch mittels Schüssel und Zementspatel anzumischen. In diesem Fall logischerweise ohne Vakuum. Das ist beispielsweise für individuelle Ersatzplastiken oder Spacer erforderlich. Das Anmischen ohne Vakuum führt zu einer größeren Oberfläche, die wiederum eine höhere Antibiotikafreisetzung ermöglicht.

Damit dieser Beitrag nicht zu lang wird, gehen wir an dieser Stelle zum eigentlichen Thema, nämlich wie man überhaupt richtig zementiert und welche Aspekte man dabei beachten sollte, zurück.

 

Richtig zementieren – so geht’s!

In diesem Beitrag möchte ich Euch die beiden gängigsten Methoden erklären: Palamix und von Hand. Fangen wir zunächst mit dem Anmischen von Hand an. Hierfür benötigt man eine Zementschale und einen Zementspatel. Beim Anmischen für die meisten Zementhersteller kann man sich folgenden Merksatz immer im Hinterkopf behalten:
„Der Schnee fällt in den See“.

Es wird also zunächst die Flüssigkeit in das Schälchen gegeben und dann folgt das Pulver. Dadurch wird ein besseres, homogeneres Mischergebnis erzielt und es treten weniger Lufteinschlüsse auf. Wichtig hierbei ist, dass man keine Kompresse als Glasbruchschutz verwendet. Denn diese saugt die Monomerflüssigkeit teilweise auf, sodass sich die Zusammensetzung dadurch verändert. Das Ganze wird nun ähnlich wie ein Teig gleichmäßig für 30 Sekunden verrührt, bis sich eine homogene Masse bildet. Sobald dieser Teig nicht mehr an den Handschuhen kleben bleibt, kann man zügig die weitere Verarbeitung, z.B. das Modellieren eines Spacers, beginnen.

 

Anmischen im Palamix-System

Beim Palamix-System wird neben dem System noch zusätzlich ein Vakuumschlauch und eine Zementpistole benötigt. Wichtig hierbei ist, dass man die sterile Umverpackung des Systems nicht entsorgt, da diese zum Anmischen noch benötigt wird. Als kleiner Tipp von mir an dieser Stelle: Auf dem Papier, welches die Plastikverpackung verschließt, findet Ihr auch immer noch eine kleine Anleitung mit Bildern. So kann man noch mal nachschauen, wenn man nicht oft mit diesem System arbeitet.

Wichtig: Bevor Ihr mit dem Mischen startet, müsst Ihr das Rädchen bzw. die Feststellschraube nicht bewegen. Vom Werk aus befindet sich diese bereits in der richtigen Position. Sie ist nur für die Femurapplikation erforderlich. Dreht Ihr diese z.B. fest vorm Anmischen, dann erschwert Ihr Euch den Vorgang.

 

Palamix-System der Firma Heraeus Medical
Palamix-System der Firma Heraeus Medical

 

Die Plastikverpackung ist innen mit „1“ und „2“ beschriftet und gibt die Reihenfolge für die Position der Füllkartusche an. Ihr startet also mit der Aussparung 1 und setzt die Kartusche in diese Form. Dann wird der enthaltene Trichter aufgesetzt und über die kleine seitliche Öffnung zunächst die Monomerflüssigkeit in die Kartusche gefüllt. Im Anschluss fügt Ihr über die große Öffnung das Pulver hinzu.

Ab hier startet die Zeit für die Verarbeitung – also am besten selbst auf die Uhr schauen oder den Springer einen Timer stellen lassen. Nun wird der Deckel mit dem Pumpkolben aufgesetzt und das Vakuum wird gezogen. Nach 10 Sekunden wird mit einer drehenden Bewegung in der Hand für 25 bis 30 Sekunden gemischt.

Im Anschluss muss die Kartusche in der Form mit der Nummer 2 entblockt werden. Sollte sie in dieser Aussparung nicht direkt bis nach ganz unten sacken, könnt Ihr sie etwas drehen bis sie noch mal ein Stück weiter hinein gleitet. So ist die Kartusche in der richtigen Position und es muss jetzt nur noch von oben etwas Druck bei der Drehbewegung ausgeübt werden, damit es zur Entblockung kommt.

Sollte dies trotzdem nicht funktionieren, könnt Ihr die Kartusche einmal umdrehen. Dort seht Ihr dann vier Flügelchen: zwei große und zwei kleine. Drückt Ihr die beiden kleinen Flügelchen zusammen, kann die Kartusche ebenfalls entblockt werden. Bei einer zementierten HTEP würde der lange Aufsatz auf der Kartusche bleiben und Ihr müsst nun nur noch den grünen Kolben öffnen und hinausziehen. Im Rahmen einer KTEP ist dieser jedoch zu lang. Daher muss der durchsichtige Aufsatz inklusive Innenleben etwas hinausgezogen werden bis die Sollbruchstelle sichtbar wird. Nun kann man an diesen Aufsatz abbrechen, die Schraube öffnen und den kurzen Aufsatz anbringen.

Nach der Applikation heißt es warten. Ob der Zement ausgehärtet ist, kann man mit einem Restzement auf dem eigenen Instrumentiertisch feststellen.

In der folgenden Abbildung von Heraeus Medical findet Ihr noch mal einen genauen Ablauf.

 

Quelle: https://www.heraeus-medical.com/de/healthcare-professionals/products/palamix/

→ Hier kommst Du zu einer Videoanleitung ←

 

Wissenswertes:

  • Die Umgebungstemperatur beeinflusst die Verarbeitungs- und Aushärtungszeit des Knochenzementes. Das gilt sowohl für den Ort der Lagerung als auch die des jeweiligen OP-Saals. Auch die Schnelligkeit des Anmischens nimmt Einfluss auf diese Zeiten und verkürzt diese.
  • Ab dem Zeitpunkt, bei dem Pulver und Flüssigkeit sich berühren, läuft die Zeit
  • Ein leichteres Ausschütten des Pulvers gelingt, wenn man auf der Papierseite einen leichten Knick macht, sodass sich eine Nase ergibt. Über diese kann man dann das Pulver gezielt ausschütten und vermeidet ein Verschütten des Pulvers.
  • Den Knochenzement auf dem Tisch liegen lassen, damit nicht zusätzlich Energie in Form von Körperwärme oder auch Bewegungen (z.B. durch Figuren basteln) beigeführt wird, was eine schnellere Aushärtung bewirkt.
  • Durch das zusätzliche Beimischen von Antibiotika (z.B. Vanco) wird man selbst zum Hersteller. Die Haftung für die manuelle Veränderung durch das Zumischen von Beisätzen geht an den Instumentierenden und Operateur über. Hierbei wird nämlich ein neues Produkt erstellt. Genau genommen ist es nicht einfach nur ein „Reinkippen“ von Antibiotikapulver, sondern es spielt eine große Rolle, wie dieser Prozess genau erfolgt im Hinblick auf die spätere Freisetzung. Je mehr Antibiotikapulver beigemischt werden, desto mehr werden die mechanischen Eigenschaften des Zementes aufgrund des veränderten Mischverhältnisses negativ beeinflusst.

 

Ich hoffe, Euch hat dieser Beitrag gefallen und Ihr konntet auch neue Erkenntnisse für Euch mitnehmen. Falls noch Fragen offen sein sollten, meldet Euch sehr gerne bei mir. Ansonsten kann ich Euch noch die Palacademy von Heraeus Medical sehr ans Herz legen.

Eure Franzi

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