Das Assessment Center

Hallo Ihr Lieben,

nachdem sich in letzter Zeit bei mir wieder die Fragen rund um die Bewerbung um einen OTA-Ausbildungsplatz häufen und auch das Assessment Center dabei öfter erwähnt wird, habe ich mich dazu entschlossen, einen gesonderten Beitrag hierzu zu schreiben. Dieser Beitrag wird sich jedoch nicht ausschließlich auf Assessment Center im medizinischen Bereich beschränken, sondern auch für alle anderen Berufsgruppen sehr informativ und hoffentlich hilfreich sein.

Im Rahmen der ein oder anderen Bewerbung durfte ich selbst zweimal an einem Assessment Center teilnehmen. Eines hiervon war jedoch auch im Zuge einer Bewerbung zur CTA, nicht OTA.

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit meinem Vater entstanden, da er sich in diesem Bereich aufgrund seiner beruflichen Erfahrung sehr gut auskennt. Ausnahmsweise ist dieser Post wirklich sehr umfangreich verfasst, aber ich wollte einfach, dass Ihr wirklich alles rund ums Assessment Center auf einer Seite habt. Ich hoffe euch wird dieser trotzdem zusagen und falls noch Fragen offen sein sollten, könnt Ihr mir diese selbstverständlich jederzeit stellen!

 

Was ist ein Assessment Center?

Nur keine Angst vor Assessment-Centern!

Viele, wahrscheinlich die meisten Betroffenen bekommen beim Gedanken an ein bevorstehendes Assessment-Center (AC) ein flaues Gefühl im Bauch. Das ist verständlich; es muss jedoch nicht sein. Ein Assessment-Center ist nichts anderes als ein strukturiertes Verfahren bei der Personalauswahl. Ziel ist es, für die Besetzung einer Position oder für eine Personalentwicklungsmaßnahme den am besten geeigneten Kandidaten zu identifizieren. Es kann auch die am besten geeignete Kandidatin sein – ich werde wegen der besseren Lesbarkeit im Folgenden zwar meist die männliche Form nutzen, schließe aber damit explizit alle Damen und Diversen ein. Und dies geschieht im AC nicht nur auf Basis Bewerbungsunterlagen und Einstellungsgespräch – mit der Gefahr mangelnder Objektivität – sondern in einem mehrstufigen Verfahren.

 

Im Rahmen eines ACs erfolgt durch Assessoren (in der Regel erfahrene Manager aus Personal- und Fachbereich des Unternehmens, häufig zusätzliche Assessoren aus beauftragten speziellen Agenturen) die Bewertung der fachlichen und sozialen Kompetenzen des Kandidaten, gespiegelt an den Anforderungen der zu besetzenden Position. Ein solches Verfahren dient darüber hinaus der nachträglichen Rechtfertigung der Personalentscheidung: Einerseits, um über die Dokumentation der Entscheidungskriterien belegen zu können, dass man objektiv entschieden hat (und nicht nach persönlicher Sympathie), um damit etwaigen Klagen bspw. aufgrund angeblicher Diskriminierung begegnen zu können. Andererseits gibt es zugegebenermaßen durchaus Entscheider, die sich persönlich absichern wollen, falls der Kandidat im Nachhinein scheitert: „Ich hatte ja gleich so ein komisches Gefühl, aber im AC hat der Mann /die Frau sehr gut abgeschnitten“. Zum Glück sind solche Manager die Ausnahme.

 

Grundsätzlich sollte man sich bei einem AC immer im Klaren sein: Das Ergebnis ist nie eine Bewertung der Person, sondern ausschließlich eine Bewertung, inwieweit man mit seinen Kompetenzen und Erfahrungen zu den Anforderungen der zu besetzenden Position passt. Man kann durchaus im selben Unternehmen bei einem Bewerbungs-AC zu der einen Ausschreibung „durchfallen“ und bei einer Ausschreibung mit anderem Inhalt nach Ende des ACs sofort die Einstellung angeboten bekommen. Insofern vermeidet ein AC auch Fehlentscheidungen des Bewerbers, denn was hilft es mittelfristig, wenn die Arbeit nicht zu einem selbst passt und man damit nicht glücklich wird?

 

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Quelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/anstellung-arbeit-business-deal-327540/

 

AC kennt man seit den 1920er Jahren

ACs sind übrigens keine neue Erfindung – und stammen ursprünglich nicht etwa aus den USA: Bereits in den 1920er Jahren wurden bei der Offiziersbewerberauswahl der Reichswehr AC-ähnliche Auswahlverfahren eingesetzt. Beginnend mit den 1950er Jahren erlebten AC-Verfahren dann im englischen Sprachraum bei der Auswahl in der Wirtschaft einen starken Zuspruch. Heute sind sie vor allem in Europa sehr verbreitet.

Nun gibt es nicht „das“ Assessment-Center, das für alle Situationen passt.  Setzt man dieses Instrument vernünftig ein, so ist jedes AC eine Einzellösung, die auf die konkreten Fälle hin abgestellt ist. Auf die einzelnen Ausprägungen – Einzel-AC, Management-Audit, Development-Center uvm – kann ich hier aus Platzgründen nicht eingehen.

Hauptkomponenten der meisten ACs sind:

  • Selbstpräsentation
  • Strukturiertes Interview
  • Rollenspiele
  • Fallstudien
  • Postkorbübung
  • Abschlussgespräch

Bei allen diesen Teilen des ACs wird durch enge Zeitansätze versucht, den Kandidaten unter Stress zu setzen. Das ist kein böser Wille: Man möchte schlicht das Verhalten des Kandidaten unter Druck und Stress kennenlernen. Auch auf der zu besetzenden Position werden solche Situationen auftreten. Man sollte sich auch stets im Klaren sein, dass man beim AC immer unter Beobachtung steht, nicht nur während der aktiven Parts, sondern auch in den Pausen, insbesondere beim Mittag- oder Abendessen (Achtung: Messer und Gabel richtig einsetzen, Ellenbogen nicht auf den Tisch aufstützen usw.!): Ein Bekannter von mir hatte einmal einen Bewerber, der auf die Frage „Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten“? mit „Entscheiden bitte Sie.“ antwortete. Da es sich um die Besetzung einer Führungsposition handelte, war das AC damit beendet: Wenn der Bewerber noch nicht einmal entscheiden kann, was er trinken möchte…

Im Verlauf dieses Beitrags werde ich auf die oben aufgeführten einzelnen Teile eines ACs eingehen auch Tipps dazu geben. Um es aber noch einmal zu betonen: Man muss keine Angst vor einem Assessment-Center haben. Überall wird nur mit Wasser gekocht. Eine gewisse Anspannung ist jedoch völlig normal und auch hilfreich. Letztendlich sorgt ein AC dafür, dass man sich gezwungenermaßen mit sich selbst als Person, den eigenen Kompetenzen und Erfahrungen auseinandersetzen muss. Und auch wenn man es hier nicht glauben mag: Ein AC kann durchaus auch Spaß machen.

 

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Quelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/iphone-smartphone-schreibtisch-notizbuch-34578/

Beginn des Assessment Centers

Grundsätzlich gibt es Gruppen- und Einzel-ACs. Beiden gemeinsam ist, dass zu Beginn meist gewisse „Lockerungsübungen“ durchgeführt werden, um dem Kandidaten die Nervosität zu nehmen. Das kann klassischer Smalltalk sein, Fragen bspw. zur Anreise, Anbieten von Getränken etc.

In der Regel stellen sich die Assessoren auch kurz vor. Man sollte sich die Namen gut einprägen oder zumindest notieren: Wenn man im Verlauf des ACs die Assessoren mit Namen ansprechen kann, ist dies stets ein Vorteil. In seltenen Fällen erhält man sogar im Vorfeld bereits die Namen der Assessoren mitgeteilt. Dann hat man den Vorteil, sich im WWW über diese Damen und Herren, ihre Berufsstationen, vielleicht auch ihre Hobbies informieren zu können.

Diese Erkenntnisse kann man, wenn sich eine passende Gelegenheit ergibt, im AC aktiv einsetzen: „Herr Maier-Müller, Sie als Segler wissen ja, dass man sich in einem Team aufeinander verlassen muss.“  Dieses Wissen erzeugt regelmäßig Überraschung und Rückfragen, woher man das weiß. Dann kann man mit „Ich informiere mich stets so gut wie möglich“ einen Punkt setzen.

 

Selbstpräsentation

Die Selbstpräsentation ist regelmäßig die erste Etappe eines AC. Wichtig: Eine Selbstpräsentation ist nicht das Herunterspulen des Lebenslaufs! Wer man ist, wo man herkommt usw. ist selbstverständlich Teil der Selbstpräsentation. Das Auswahlgremium möchte anhand der Präsentation jedoch den Kandidaten kennenlernen, und da reicht nicht nur der chronologische Lebenslauf.

Auf die Selbstpräsentation kann man sich sehr gut vorbereiten. Und man darf auch kreativ sein. Hier sollte man auch die zur Verfügung gestellten Medien (nicht alle; ein oder zwei reichen) einsetzen. Hat man beispielsweise schon an verschiedenen Orten gewohnt, kann man auf einem Flipchart die Umrisse Deutschlands oder Europas einzeichnen und sich dann von einem (Wohn- oder Arbeits-)Ort zum anderen hangeln. Und jeweils erläutern, was man dort bzw. bei den Arbeitsplätzen Besonderes gelernt hat. Eine andere Möglichkeit ist es, sich selbst als Dritten vorzustellen: „Heute werde ich Ihnen Klaus Müller vorstellen.“

In die Selbstpräsentation gehören auch die Stärken und Schwächen, wobei man sich stets bewusst sein muss, dass das hinterfragt werden wird. „Wie kommt es, dass Sie Kommunikationsfähigkeit als eine Ihrer Stärken ansehen?“

Hier sollte man einen oder mehrere Belege dafür anführen können. Diese Regel gilt für das gesamte AC: Alle Aussagen/Behauptungen/Einschätzungen sollte man anhand eines oder mehrerer Beispiele belegen können. Zur Vorbereitung bietet sich an, einmal selbst möglichst objektiv die eigenen Stärken und Schwächen zu identifizieren, idealerweise mit einem guten Freund oder Kollegen, der ungeschminkt seine Einschätzung widerspiegelt – was mitunter für beide Seiten gar nicht so leicht ist.

Und Standards wie „Ich bin manchmal sehr ungeduldig“ sollte man bei Schwächen vermeiden: Das haben die Damen und Herren auf der anderen Seite des Tisches schon hundertmal gehört. Ebenso sollte man nicht Aussagen wie „Schokolade ist eine Schwäche“ bringen. Das gehört nicht ins Assessment Center.

Meine Faustregel ist, etwa drei besondere Stärken und eine Schwäche zu kommunizieren. Und jeweils eine weitere Stärke/Schwäche in Reserve vorzuhalten, falls man gefragt wird. Eine Schwäche, die man kennt, ist nach meinem Verständnis auch keine 100%ige Schwäche mehr: Wenn ich etwa weiß, dass ich bei manchen Aufgaben am liebsten direkt losarbeiten möchte, kann ich mich auch zwingen, vorher erst einmal einen entsprechendes (zeitliches) Konzept zu entwickeln. Wichtig ist, dass man bereits in der Selbstpräsentation deutlich macht, weshalb man der beste Kandidat für die ausgeschriebene Position ist bzw. warum man zum Unternehmen besonders gut passt.

Auch das Hobby gehört in die Selbstpräsentation. Hier kann man auflockern, indem man beispielsweise einen kleinen Fußball oder Handball o.ä. mitbringt, je nachdem welchen Sport man selbst ausübt oder sich zumindest dafür interessiert. Und themenfest muss man dann natürlich sein, zu Liga und Vereinen. Es könnte ja Fragen aus dem Gremium geben. Gibt man als Hobby Lesen an, kann man ja das Buch mitbringen, das man aktuell liest. Oder sollte es zumindest benennen können. Im konkreten Falle konnte das einmal ein Kandidat nicht – auch sowas gibt’s.

Man sieht: Der Selbstpräsentation lässt sich durch eine ordentliche Vorbereitung der Schrecken nehmen.

 

Postkorb-Übung

Bei vielen Assessment Centern – insbesondere wenn es um Einstellung von Nachwuchskräften geht – ist die Postkorbübung ein fester Bestandteil. Hier erhält man einen Stapel Geschäftsvorgänge und muss diese in einer vorgegebenen, stets zu gering bemessenen Zeit bearbeiten. Aus den vorliegenden Dokumenten ergeben sich stets Konflikte, sei es, dass Termine zeitgleich geplant sind, dass Aufgaben kollidierende feste Abgabetermine haben usw. Man möchte hier sehen, wie der Bewerber unter Stress agiert, ob er priorisieren kann, wie entscheidungsfreudig er ist und ob er delegieren kann.

Hilfreich ist es, die Dokumente der Postkorbübung erst einmal schnell alle zu überfliegen, damit man einen Überblick hat. Dann würde ich diese – wie im wahren Leben – sortieren nach „wichtig“ und „unwichtig“ (hat Zeit). Eine weitere Sortierung wäre „selbst erledigen“ und „delegieren“. Damit hat man bereits eine gute Struktur und kann sich ans Durcharbeiten machen. Meist wird man nach der Postkorbübung gefragt, wie man vorgegangen ist – und warum.

 

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Gruppendiskussion und Gruppenarbeit

Häufig verwendete Komponenten insbesondere bei Einstellungs-ACs für Berufsstarter sind Gruppendiskussion und -arbeit. Nicht selten gehen diese sogar ineinander über. Man möchte hierüber Ausdrucksvermögen, Diskussionskompetenz, Teamverhalten, Moderations- und Delegationskompetenz beurteilen können. Um es vorwegzunehmen: Die, die den größten Wortanteil haben, müssen nicht zwangsläufig am besten abschneiden: Auf die Inhalte kommt es an, nicht auf die Menge. Genauso wird nämlich beurteilt, ob jemand aufmerksam zuhört und die Argumente der anderen aufnimmt.

Thematisch kann die Diskussion sich um ein Thema aus der Branche des Unternehmens drehen, z.B. „Sollten die Banken/Sparkassen ihre Aktivitäten stärker auf digitale Plattformen verlagern?“ Es kann aber auch ein allgemeines, aktuelles Thema sein, etwa „Sind Einschränkungen der persönlichen Freiheiten bei einer Pandemie vertretbar?“.

Bei der Diskussion sollte man sich aktiv einbringen und dabei sachlich, inhaltlich nachvollziehbar und überzeugend argumentieren. Die Ansichten der anderen Teilnehmer dürfen dabei nicht übergangen werden. Kleiner Tipp: Manchmal ist es sinnvoll, ein Zwischenfazit bzw. eine -zusammenfassung zu ziehen, um der Diskussion eine bessere Struktur zu geben.

Eine Gruppenarbeit ist mit der -diskussion in großen Teilen vergleichbar. Hier bekommt das Team beispielsweise die Aufgabe, einen Marketingplan für ein neues Produkt zu entwickeln. Gerne wird aber auch das Bauen einer Brücke – aus Papier oder Holz-/Legosteinen – beauftragt. Die Gruppenarbeit ist das klassische Mittel, die Teamfähigkeit der Kandidaten unter Stress zu bewerten – ebenso wie die Führungskompetenz. Doch auch hier geht es nicht darum, dass sich ein Bewerber gegen die anderen durchsetzt, sondern dass das Team eine Aufgabenverteilung entscheidet und eine Lösung entwickelt, bei der sich alle Teilnehmer berücksichtig fühlen. Persönliche Eitelkeit, Rivalitäten und Dominanzverhalten gefährden den Erfolg und werden sich sicher nicht zum Vorteil der jeweiligen Personen auswirken.

 

Rollenspiel

Auch das Rollenspiel gehört zu den Klassikern eines Assessment Centers. Es kann ein Gespräch, eine Verhandlung zwischen zwei Kandidaten oder zwischen einem Kandidaten und einem Assessoren sein. Jeder der Beteiligten hat dabei eine vorgegebene Rolle zu spielen. Meist werden Situationen aus dem beruflichen Alltag ausgewählt, etwa ein Review-Gespräch oder ein Verkaufsgespräch beim Kunden.

Es können aber auch Konfliktgespräche sein, beispielsweise zwischen Chef und seinem besten Vertriebsmitarbeiter, der laut Buchhaltung auch private Reisen über die Firma abrechnet. Tipp: Hier sollte man als Chef niemals in der Art „Sie rechnen private Reisen über unsere Firma ab“ den Mitarbeiter mit Vorwürfen konfrontieren, sondern stets sachlich bleiben, z.B. „Die Reisekostenstelle hat mich informiert, dass Sie am 14.2. eine Reise abgerechnet haben, zu der nicht unmittelbar ein betrieblicher Anlass zu bestehen scheint. Das würde ich gerne mit Ihnen klären.“ Die Regel ist: Sachlich bleiben, Argumente der Gegenseite anhören und eventuell aufnehmen, ausreden lassen. Wer hier als aggressiver „Macher“ auftritt, hat schon verloren.

Man erhält eine wie immer nur kurze Vorbereitungszeit, um sich auf alle Eventualitäten des Gesprächs vorzubereiten. In dieser Zeit sollte man entscheiden wie man selbst vorgeht, welche Argumente die Gegenseite bringen könnte und wie man auf diese wieder reagieren würde. Und einen „Ausweg“, das Gespräch abzuschließen sollte man auch parat haben. Grundsätzlich kann man hier auch in begrenztem Maße über die Rolle hinaus Tatsachen erfinden. Doch die Gegenseite hat diese Möglichkeit auch.

Man will hier die Gesprächsführungskompetenzen des Kandidaten im Allgemeinen und im Konfliktmanagement im Speziellen bewerten. Letztendlich ist das Ziel des Rollenspiels, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, die für beide Seiten zufriedenstellend ist. Hat man sich allerdings festgefahren, so bleibt nur der Abbruch des Gesprächs und die Einigung, das zu einem anderen Zeitpunkt weiterzuführen. Eine solche Situation sollte man allerdings vermeiden.

Fallstudie

Bei einer Fallstudie wird ein meist typisches Problem aus der jeweiligen Unternehmens­branche simuliert, auf das zu reagieren ist. Sie kann sowohl in der Gruppe, als auch als Einzelkandidat bearbeitet werden.

Neben Teamfähigkeit (bei der Gruppenstudie) wird hier auch das das Fachwissen bewertet. Nicht nur deshalb sollte man sich vorab möglichst umfassend über das Unternehmen und sein Geschäftsmodell informieren. Man kann dann auch mögliche Themen für Fallstudien überlegen und zu Hause Trockenübungen fahren. Bei der eigentlichen Studie geht man dann strukturiert vor: Aufgabenstellung genau lesen, wichtigste Fakten erkennen und notieren, Lösungsalternativen erarbeiten und einzeln bewerten, sich für eine Lösung entscheiden. Wie immer muss man seine Entscheidungen dem Gremium gegenüber begründen können. Dies gilt für durchgängig für alle Teile eines ACs.

Achtung: Es geht hier nicht um die „richtige“ oder optimale Lösung, sondern vielmehr um die Demonstration analytischer Fähigkeiten und dass man auch unter Druck konzentriert, effizient und effektiv komplexe Aufgaben lösen kann.

 

Interview

Ein (strukturiertes) Interview ist Standard-Element eines ACs. In einer Reihe von Fragen will das Assessoren-Team den Kandidaten besser kennenlernen, was seine Erfahrungen, Kompetenzen und seine Selbsteinschätzung angeht. Das Interview steht nicht zwangsläufig am Beginn des ACs, sondern findet eher in der Mitte oder gegen Ende statt. Dann hat der Assessor die Möglichkeit, sich Eindrücke aus dem bisherigen AC-Verlauf zu bestätigen oder diese zu widerlegen.

Thematisch kann das Interview die Bereiche Selbstpräsentation, bisherige AC-Aufgaben, allgemeine gesellschaftliche/wirtschaftliche/politische Themen, Fragen zum Unternehmen – kurzum: praktisch alles umfassen. Zur Vorbereitung sollte man sich auf jeden Fall über das Unternehmen informieren (Historie, Umsatz, Kernaktivitäten, Marktsituation und evtl. Problemfelder, Name des Vorstandvorsitzenden/Geschäftsführers, Problemfelder): eigentlich eine Selbstverständlichkeit und in Zeiten von Internet und Google nicht übermäßig zeitaufwendig.

Das Studium von Politik- und Wirtschaftssteil einer guten Tageszeitung schadet sicher auch nicht. Im Endeffekt kann man in der Vorbereitung auch gedanklich mal die Rollen tauschen und sich überlegen, was man selbst als Assessor den Kandidaten fragen würde. Wichtig ist noch, dass man jeweils auf die konkrete Frage antwortet und nicht etwas bei Frage 4 noch eine weitere Antwort zu Frage 2 nachschiebt.

 

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Brain Teaser

Mit „Brain Teasern“, dies sind gewissermaßen Denksportaufgaben, will man etwas zu Kreativität und logischem Denkvermögen der Kandidaten erfahren. Sie kommen nicht in jedem AC zur Anwendung; man sollte aber gleichwohl vorbereitet sein. Es handelt sich hierbei meist um eine auf den ersten Blick nicht beantwortbare und üblicherweise auch fachfremde Fragen à la „Wieviel Klaviere stehen in deutschen Haushalten?“ oder „Wieviel Tonnen wiegt Manhattan?“

Bei der Beantwortung kommt es nicht so sehr auf die korrekte Antwort an, falls eine solche überhaupt existiert. Es geht um die Herangehensweise an die Lösung. Im Beispiel Manhattan könnte das so aussehen, dass man eine Fläche für die Halbinsel Manhattan annimmt, zum Beispiel 10 km * 10 km (also 100 km²), dann überlegt, wieviel Häuser im Schnitt auf einem km² stehen, überlegt was so ein Haus durchschnittlich wiegt (Achtung, in Manhattan stehen nicht nur Wolkenkratzer!) und sich dadurch einer Schätzung nähert.

Meistens sind Brain Teaser auch nicht präzise formuliert: Sind im konkreten Beispiel Bewohner und Autos usw. hinzuzurechnen oder nicht? Dies kann man dadurch lösen, indem man die Präzisierung der Frage selbst vornimmt, also sagt „Ich berücksichtige hier jetzt nur die Gebäude“. Selbst wenn man die Lösung eines Brain Teasers zufällig direkt weiß, sollte man sie nicht gleich kommunizieren, sondern sie dem Gremium herleiten.

 

Abschlussgespräch

Wenn man beim Abschlussgespräch angelangt ist, hat man es bald geschafft. Hier wird vom Gremium der Assessoren eine erste Rückmeldung an den Kandidaten gegeben, gleichzeitig ist es die letzte Möglichkeit für den Kandidaten, nochmal „Eindruck zu machen“: Mitunter wird man zur Einschätzung der eigenen Performance gefragt. Hier darf man durchaus die positiven Aspekte herausheben, bspw. „Ich glaube, im Rollenspiel ist es mir gelungen, ein gutes Ergebnis für alle Beteiligten zu erzielen.“ Man darf durchaus auch feststellen, was man aus eigener Sicht hätte besser machen können „In der Präsentation hätte ich vielleicht noch deutlicher die Herleitung des Gruppenergebnisses darstellen müssen.“

Man darf sich hier durchaus ins beste Licht rücken, aber mit einer angemessenen Portion Selbstkritik. Allerdings sollte man es weder in die eine, noch in die andere Richtung übertreiben: Also nicht überheblich und besserwisserisch auftreten, aber auch nicht überkritisch mit sich selbst sein. Ein paar vernünftige Fragen sollte man auch parat haben, wenn man dazu aufgefordert wird. Hier bietet sich beispielsweise an, wann man das AC-Ergebnis erfährt. Aber auch noch offengebliebene Fragen zum AC selbst oder zum möglichen Arbeitsplatz passen ins Abschlussgespräch.

Nur in den seltensten Fällen erhält man gleich nach Ende des AC eine definitive Aussage, ob man durchgekommen ist oder nicht. Man muss sich also ein wenig in Geduld üben.

 

Wenn es nicht geklappt hat

Und wenn dann nach dem AC tatsächlich eine Absage kommt, muss man nicht depressiv werden. Es kann (siehe oben) schlicht so sein, dass Position und eigenes Kompetenzportfolio nicht zusammen passten. Das kann beim nächsten Mal ganz anders sein. Wenn es die Möglichkeit gibt, sollte man den Kontakt zum Unternehmen oder den Assessoren aufnehmen, um idealerweise ein persönliches Feedback zu erhalten, sodass man eventuelle Defizite gezielt angehen kann. So oder so ist ein AC ein kostenloses Verfahren, einmal neutral die eigenen Kompetenzen und das Selbstbild bewertet zu bekommen. Woanders muss man für so eine Leistung viel Geld bezahlen.

 

Allgemeine Tipps

Um eine gewisse Routine und Souveränität bei ACs zu gewinnen, sollten gerade Berufsan­fänger sich durchaus auch auf Arbeitsplätze bewerben, die man nicht in die engere Wahl zieht. Wird man hier zum AC eingeladen, so kann man für die wirklich „wichtigen“ ACs üben. Vor allem gewinnt man an Erfahrung mit solchen Auswahlverfahren und kann eigene Stärken ausbauen und an Schwächen arbeiten. Mitunter – das kenne ich von früheren Kunden, die ich fürs AC trainiert habe – kommt es tatsächlich vor, dass ein vermeintlich nicht so interessanter Job sich bei näherer Befassung doch als sehr attraktiv entpuppte – und sich aus so einem „Übungs-AC“ dann doch eine feste Anstellung ergab.

Ein paar „Kleinigkeiten“ helfen, beim AC einen guten Eindruck zu hinterlassen:

  • Deutlich und mit hinreichender Lautstärke sprechen
  • Den Gesprächspartner ansehen (Tipp: Nicht frontal immer die Augen fixieren, sondern etwa den Punkt zwischen den Augen als Ziel nehmen. Und selbstverständlich soll man nicht statisch stets auf diesen Punkt schauen: Die Augen dürfen schon etwas wandern.)
  • Bei Präsentationen nicht zum Flip Chart oder zur Wand, sondern zum Publikum sprechen.
  • Groß genug schreiben, sowohl bei Präsentationen am PC, als auch bei Handgeschriebenem am Flip Chart oder White Board.
  • Verwenden Sie im Gespräch ab und zu den Namen des Geprächspartners: Seinen eigenen Namen hört jeder gerne.
  • Die Hände (und Beine) ruhig halten: Nicht am Ring, der Armbanduhr, einer Haarsträhne oder der Manschette spielen: Man kann das trainieren! Manchmal hilft es, einen Stift in die Hand zu nehmen, wenn man übernervös ist.
  • Gerade stehen!
  • Nach Gesprächsende (beispielsweise nach dem Interview) nicht fluchtartig den Raum verlassen, sondern bedanken, verabschieden und dann mit normalem Schritt den Raum verlassen.
  • Üben Sie zu Hause vor dem Spiegel, bspw. die Selbstpräsentation, oder vor Familienmitgliedern, Freunden, Kollegen – die ein ehrliches Feedback geben (was man dann auch wieder vertragen können muss). Auch bei Übungsrunden daheim sollte man sich genauso kleiden, wie im „Ernstfall“: also Business-Kostüm bzw. Anzug, zurückhaltend geschminkt, nicht unverhältnismäßig viel und teuren Schmuck. Dadurch gewinnt man eine gewisse Routine und Ruhe, wenn man sich bereits bei der Vorbereitung auch optisch wie für das eigentliche AC „herrichtet“.

Unabhängig davon bietet sich durchaus auch professionelle Begleitung und Vorbereitung zu einem AC an. Mit einem erfahrenen Manager das AC vorzubereiten und ein oder zweimal als Übung durchzufahren, vermittelt eine gewisse Routine, Sicherheit und die nötige Ruhe, wenn es dann ernst wird: Eine Investition, die sich auszahlt!

So viel zu dem Part meines Vaters, kommen wir nun zu den Erfahrungen, die ich im Assessment Center gemacht habe.

 

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Quelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/decke-innen-klinik-krankenhaus-247786/

Meine Erfahrungen im Assessment Center

Beide Assessment Center waren sehr ähnlich aufgebaut und fanden jeweils an einem Tag statt. Bei beiden war man zusammen mit ca. 10-15 anderen Bewerbern in einem Raum, wo man sich zunächst selbst nacheinander vorgestellt hat – Stichwort Selbstpräsentation.

Nach dieser kleinen Vorstellungsrunde gab es dann einen Test, der zum Teil auch Multiple Choice enthielt – nicht alle Fragen bezogen sich auf die Ausbildung oder die Medizin. Man musste aber unter anderem konkrete Aufgaben lösen, bspw. wie man eine 0,9% physiologische Kochsalzlösung herstellt – sprich wie viel Gramm Salz auf wie viel Wasser kommen: Die gute alte Dreisatzrechnung, wie mein Vater immer sagt. Daher solltet Ihr Euch diesen und auch die Prozentrechnung unbedingt noch mal ansehen.

Nach diesen kleinen Tests kommt meist eine Pause, danach gibt es eine Gruppenübung, die dann mit einem Streitgespräch oder einer Diskussionsrunde, z.B. zum Thema “Bluttransfusion im Notfall bei Menschen, die dies aus religiösen Gründen ablehnen”, abschließt. Im Anschluss wird noch ein Einzelgespräch mit Euch geführt. Wie Ihr Euch in diesem Fall verhalten solltet, habt Ihr ja eben bereits ausführlich lesen können.

Bei einem der Assessment Center hatte ich im Anschluss bereits eine mündliche Zusage erhalten. Meist erhaltet Ihr aber erst einige Zeit später eine Nachricht, ob Ihr direkt eingestellt werdet, in der nächsten Runde seid – oder leider doch eine Absage erhaltet.

Da ich bereits bei dem einem Assessment Center direkt die mündliche Zusage erhalten habe und bei dem anderen erst mal auf die Warteliste kam, kann ich Euch leider nicht sagen wie Runde 2 aussehen könnte. Vielleicht ein persönliches, “richtiges” Vorstellungsgespräch.

Leider habe ich keine weiteren Vergleiche vorliegen, daher meine Bitte an Euch: wenn Ihr auch ein Assessment Center absolvieren musstet für die OTA – oder generell medizinische Ausbildung, dann teilt mir doch bitte Eure Erfahrungen mit, damit ich diese hier ergänzen kann.

Liebe Grüße!
Eure franzi 🙂

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