Eine Schwangerschaft ist wirklich etwas ganz besonders, und genauso besonders sind auch die Handhabung und Umsetzung des Mutterschutzgesetzes im OP. Denn tatsächlich gibt es hierfür keine einheitlichen Regelungen. Was ich damit meine, erläutere ich im weiteren Verlauf. Kommen wir aber zunächst erstmal zu den Grundlagen im Mutterschutzgesetz:
Das Mutterschutzgesetz
Seit 1952 gibt es das Mutterschutzgesetz bei uns in Deutschland, welches Mutter und Kind schützen soll. In ihm und auch in der Mutterschutzrichtlinienverordnung sind alle rechtlichen Grundlagen, die bei erwerbstätigen schwangeren Arbeitnehmerinnen beachtet werden müssen, dokumentiert.
Das Gesetz gilt ebenfalls für Frauen in einer Berufsausbildung, Praktikantinnen, Schülerinnen und Studentinnen. Schwangere genießen im Rahmen des Mutterschutzgesetzes einen Kündigungsschutz sowie eine Schutzfrist vor und nach der Entbindung. Mit dieser Schutzfrist sind die letzten sechs Wochen vor und die ersten acht Wochen nach der Geburt gemeint. In diesem Zeitraum darf der Arbeitgeber die Schwangere beziehungsweise die dann frischgebackene Mutter nicht beschäftigen. Eine Ausnahme ist jedoch die ausdrückliche Bereiterklärung der Betroffenen bezüglich der Fortführung ihrer Tätigkeiten. Bei Mehrlingsgeburten oder Frühgeburten erhöht sich der Zeitraum nach der Entbindung von acht auf zwölf Wochen.
Arbeitsbedingungen
Schwangere oder stillende Mütter dürfen keine Mehrarbeit leisten. Das heißt, die Arbeitszeit darf nicht über 8,5 Stunden täglich hinaus gehen. Unter 18 Jahren darf die tägliche Arbeitszeit nur acht Stunden betragen. Nachtarbeit ist laut des Gesetzes ebenfalls untersagt. Lediglich bis 22 Uhr darf eine schwangere oder stillende Frau beschäftigt werden, es sei denn, sie erklärt sich ausdrücklich dazu bereit, Nachtarbeit zu leisten. Analog gilt dies für die Arbeit an Wochenenden und Feiertagen.
Auch für die Schwangerschaftsvorsorge muss der Arbeitgeber seine Mitarbeiterin freistellen. Ich habe mir dafür stets extra die ersten Termine geben lassen, damit ich nicht zu lange von meiner Arbeitsstelle fernbleiben muss: Meine Arbeit macht€ mir immer Spaß, na gut in 95% der Zeit. Nimmt man innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes seine Tätigkeit wieder auf, befindet sich aber noch in der Stillzeit, so muss der Arbeitgeber die Stillende für diese Zeit freistellen: Entweder eine Stunde am Stück oder zweimal je 30 Minuten.
Zur Optimierung der Arbeitsbedingungen im Rahmen des Mutterschutzes muss eine Gefährdungsbeurteilung erstellt und schriftlich niedergelegt werden.
Gefährdungsbeurteilung und Beschäftigungsverbot
Bei Bekanntgabe einer Schwangerschaft muss der Arbeitgeber gemeinsam mit der Schwangeren eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung ausfüllen. Diese ist so auszufüllen wie die Bedingungen und Gegebenheiten vor der Schwangerschaft vorliegen.
Die darin ermittelten physischen und psychischen Gefahren müssen im Anschluss so umgestaltet werden, so dass die Gesundheit von Mutter und Kind nicht gefährdet sind. Sofern möglich, kann die werdende Mutter nach Umsetzung der Arbeitsplatzumgestaltung weiter beschäftigt werden. Ist eine adäquate Umgestaltung nicht möglich, und ein Wechsel des Tätigkeitsfeldes ist nicht möglich, so muss gegenüber der Schwangeren ein betriebliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden.
Unabhängig vom Arbeitgeber und dem Arbeitsplatz kann der Schwangeren auch ein ärztliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden. Dies entscheidet der behandelnde Arzt, indem er abwägt, ob die Gesundheit der werdenden Mutter oder des Ungeborenen durch beispielsweise eine Risikoschwangerschaft gefährdet sind.
Während des Beschäftigungsverbots erhält die Schwangere weiterhin ihr bisheriges Gehalt, um finanzielle Nachteile zu vermeiden. Dieses errechnet sich aus dem Durchschnittsgehalt der letzten drei Monate vor der Schwangerschaft und nennt sich Mutterschutzlohn.
Im Zeitraum des Mutterschutzes, also den vorhin erwähnten sechs Wochen vor und acht bis zwölf Wochen nach der Entbindung, erhält die (werdende) Mutter das sogenannte Mutterschaftsgeld. Es ersetzt den zuvor erwähnten Mutterschutzlohn und wird von der Krankenkasse gezahlt. Der Tagessatz beträgt hierbei bis zu 13 Euro. Ergibt es eine merkliche Differenz zwischen dem von der Krankenkasse gezahlten Mutterschaftsgeld und dem bisherigen Mutterschutzlohn, so zahlt der Arbeitgeber einen Zuschuss, so dass sich in Summe die bisherige Gehaltshöhe ergibt.
Ich könnte das ganze hier jetzt noch weiterführen, beispielsweise auch im Hinblick auf die Elternzeit, doch ich glaube, das würde etwas zu viel werden. Daher beende ich die groben Grundlagen an dieser Stelle. Weiter unten habe ich jedoch die Quelle bezüglich des Mutterschutzgesetzes aufgeführt, wo man alles noch mal detailliert nachlesen kann.
Ich bin schwanger – wie ist der Ablauf?
Zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch zu dieser wundervollen Nachricht! Sobald man einen positiven Test in der Hand hält, sollte man direkt einen Termin beim Frauenarzt ausmachen, zur Bestätigung des Ergebnisses. Hat man die Schwangerschaft sehr früh herausgefunden, sagt die Medizinische Fachangestellte am Telefon gerne, dass noch etwas Zeit sei mit dem Termin und man deshalb erst ca. zwei Wochen später einen vergeben möchte.
So war es auch bei mir. Allerdings habe ich dann direkt mitgeteilt, dass ich in einem Beruf tätig bin, der mit einem erhöhten Risiko verbunden ist und ich daher direkt eine Bestätigung bräuchte. Somit konnte ich noch in derselben Woche vorbeikommen.
In den ganz frühen Schwangerschaftswochen kann auch ein Frauenarzt meist noch nicht mit 100%iger Sicherheit die Schwangerschaft bestätigen. Wenn man Glück hat, ist aber schon eine kleine Fruchthöhle zu erkennen, oder eine bereits gut aufgebaute Gebärmutterschleimhaut – letzteres war auch bei mir der Fall.
Mittels erneutem Schwangerschaftstest in der Praxis oder einer Blutentnahme hätte er es eindeutig bestätigen können. Wir haben uns jedoch dafür entschieden, einfach anderthalb Wochen später erneut nachzusehen, ob sich mein Bauchzwerg richtig eingenistet hat. Deshalb wurde ich zunächst „nur“ krank geschrieben.
Genau in diesem Zeitraum hätte ich auch drei Bereitschaftsdienste absolvieren müssen und dazwischen natürlich auch normal arbeiten müssen. So konnten wir den kleinen Bauchbewohner vor eventuellen Risiken durch Gasnarkosen und Röntgenstrahlung schützen.
Habt Ihr eine eindeutige Bestätigung für eine erfolgreiche Schwangerschaft erhalten, dann lasst Euch direkt auch den Zettel für den Arbeitgeber aushändigen. Denn nur mit diesem kann er alle offiziellen Prozesse einleiten, damit das Mutterschutzgesetz für Euch gilt.
Das Mutterschutzgesetz und die Arbeit im OP
Wie ich weiter oben schon erwähnt habe, wird sich Euer Chef mit Euch zusammensetzen und die Gefährdungsbeurteilung zur Anpassung des Arbeitsplatzes ausfüllen. Wie das Mutterschutzgesetz im OP umgesetzt wird, kann tatsächlich sehr stark zwischen den einzelnen Kliniken variieren.
Die erste und „einfachste“ Variante ist die Aussprache eines Beschäftigungsverbots. Natürlich ist das für den Arbeitgeber eine sehr unschöne Alternative, da er für seinen Arbeitnehmer weiterhin das volle Gehalt zahlt, aber im Endeffekt keinen „Nutzen“ von diesem hat. Denn die Schwangere befindet sich ja zu Hause und ist nicht vor Ort als Arbeitskraft tätig – sie fehlt dem Arbeitgeber.
Aufgrund von Corona wurde ich durch das erhöhte Ansteckungsrisiko relativ zeitnah gleich ins Beschäftigungsverbot geschickt. Für mich als Schwangere ist dies natürlich schön, denn man kann sich wirklich voll und ganz auf die Schwangerschaft konzentrieren und jederzeit auf die Signale seines Körpers hören und achten.
Umgestaltung des Arbeitsplatzes durch das Mutterschutzgesetz
Bevor ich ins Beschäftigungsverbot geschickt wurde, habe ich zunächst für drei Wochen weiter im OP-Trakt gearbeitet. Dafür wurden dann folgende Voraussetzungen getroffen: meine Arbeitszeit wurde verkürzt, ich selbst durfte nur noch als Springer tätig sein – also nichts mehr mit steril am Tisch stehen und instrumentieren – leider. Auch hat man darauf geachtet, dass ich immer eine Mittagspause bekomme. Wir wissen ja alle, dass eine Mittagspause in medizinischen Berufen oft nicht stattfindet.
Des weiteren durfte ich natürlich nicht mehr in die OP-Säle, in denen Gasnarkosen durchgeführt wurden, geschweige denn bei Gasnarkosen anwesend sein. Auch waren OP-Säle mit Röntgenstrahlung für mich absolut tabu. Heben oder Schieben von Gegenständen, die mehr als 5 kg wiegen, sollte/durfte ich ebenfalls nicht mehr.
Theorie und Praxis – wie war es wirklich?
Natürlich lief es bei mir nicht immer so ab, wie geplant. Die Mittagspause hat man mir tatsächlich immer ermöglichen können ebenso wie häufiger als vor der Schwangerschaft einen pünktlichen Feierabend. Doch manchmal war ich trotzdem 15 – 20 Minuten länger da. obwohl ich es offiziell nicht durfte.
Die Sache mit der Narkose ohne Gas konnte – bis auf einen Zwischenfall – auch immer umgesetzt werden. Bei diesem Zwischenfall gab es einfach eine fehlerhafte Kommunikation mit dem Anästhesisten. Glücklicherweise hatte ich eine sehr aufmerksame Anästhesiepflegekraft in meinem OP-Saal, die den Fehler direkt bemerkte und geistesgegenwärtig handelte.
Röntgenstrahlung! Das war auch so eine Sache. Es gibt Operationen, die für Schwangere sehr zuvorkommend sind – beispielsweise Bandscheibenoperationen. Nur muss man hier meist eine einmalige Röntgenbildaufnahme machen. In der Regel findet diese präoperativ statt, so dass man als Saalpersonal einfach raus gehen kann und dadurch geschützt ist. Für einen doppelten Schutz habe ich mir dann immer noch zusätzlich meine Röntgenschürze angezogen – sicher ist sicher.
Manchmal muss man jedoch intraoperativ doch noch mal die Höhe kontrollieren und eine Aufnahme machen. War dies absehbar, waren die Chirurgen so freundlich und haben sich vor dem Einwaschen eine Röntgenschürze angezogen, so dass ich nur noch den Fußtritt hinstellen musste, rausgehen konnte und sie den Rest selbst gemacht haben.
Aber manchmal ist es leider auch nicht absehbar, dass man doch noch mal durchleuchten muss. Wenn da nicht durch Zufall ein Kollege kurz Zeit hat – sei es aus der eigenen Fachabteilung oder beispielsweise von der Anästhesie, muss man erfinderisch werden. Mit Röntgenschürze bewaffnet habe ich mir dafür also selbst den Fußtritt hingestellt, den ich dann hinter der Tür teilweise geschützt betätigen konnte. Nicht optimal, aber irgendwie muss man das beste aus der Situation machen.
„Nicht mehr als 5 kg heben!“
Dies ist auch eine der Anforderungen, denen der Arbeitgeber laut Mutterschutzgesetz nachkommen muss. Wer diesen Beitrag liest, der wird sicherlich auch im OP arbeiten und weiß daher, dass es nahezu kein Sieb oder Container mit Instrumenten gibt, der weniger als 5 kg wiegt. Auch die Extremitäten von so manch einem Patienten können dieses Gewicht übersteigen. Ganz abgesehen davon sind die Haltungsposition auch nicht immer optimal und schwangerenfreundlich.
Da ich natürlich nicht wollte, dass sich meine Kollegen auch noch um die Vorbereitung kümmern müssen, habe ich mich auf meine eigene Verantwortung an diese Bedingungen nicht gehalten. Denn meine Kollegen konnten meistens gar keine Pause machen, weil sie wegen des Instrumentier-Verbots von mir die ganze Zeit steril am Tisch standen und nicht immer ausgelöst werden konnten.
Die Siebe habe ich also, egal wie schwer – und in der Endoprothetik wiegen die gerne mal deutlich mehr als 5 kg – wie gehabt selbst von den Tischen gehoben und nach der OP beispielsweise auch verräumt. Mein Körper fand dies, wie mir erst im Nachhinein bewusst wurde, gar nicht so toll.
Für das Heben der Extremitäten konnte ich zumindest immer auf meine Kollegen von der Anästhesie zurückgreifen, so dass ich wenigstens dies nicht mehr übernehmen musste.
Fazit zur weiteren Tätigkeit im OP während der Schwangerschaft: Wenn man wirklich ganz genau gemäß Mutterschutzgesetz agieren möchte, braucht man ausreichend Personal. Dieses ist jedoch nur sehr selten der Fall. Wenn man Glück hat, dann ist man zu dritt mit einem OTA-Auszubildenden eingeteilt, so dass dieser zumindest die schweren Tätigkeiten übernehmen kann.
Arbeitsplatzwechsel als Umsetzung des Mutterschutzgesetzes im OP
Dies ist die letzte mir bekannte Möglichkeit, weiterhin während der Schwangerschaft beschäftigt zu werden. Mit Bekanntgabe der Schwangerschaft wird man entweder komplett aus dem OP-Trakt rausgenommen, indem man zum Beispiel in die Anmeldung von (chirurgischen) Ambulanzen versetzt wird. Hier nimmt man dann die Patienten für ambulante oder stationäre Behandlungen auf und übt einfach andere administrative Aufgaben aus.
Dabei muss jedoch stets darauf geachtet werden, dass man auch auf Positionswechsel achtet. Also nicht acht Stunden täglich sitzen, denn einseitige Tätigkeiten sind einfach nicht förderlich – dies gilt aber auch unabhängig von einer Schwangerschaft.
Administrative Aufgaben kann man jedoch auch im OP-Trakt ausüben. So kann man als werdende Mutter wenigstens noch weiterhin die geliebte OP-Luft schnuppern und seine Kollegen weiterhin sehen. Zu den administrativen Aufgaben könnten unter anderem das Aufgeben von Bestellungen zählen, die Erstellung oder Aktualisierung von OP-Standards oder auch Betreuung von den Auszubildenden.
Denn manchmal bietet es sich einfach an, sofern vorhanden, mit den Auszubildenden in einen freien Saal zu gehen und diesen per „Trockenübung“ einfach einige Handgriffe und Arbeitsweisen im OP nahezubringen. Dazu zählen beispielsweise das sterile Einkleiden, Anziehen von sterilen Handschuhen, Erklären des Dokumentationsprogrammes, die Durchführung von Gesprächen und Beurteilungen und vieles mehr.
Theoretisch hätte man also als Schwangere viel Zeit für eine qualitative Anleitung des OP-Nachwuchs.
So, das soll jetzt aber auch zum Thema „Schwanger im OP“ und die Sache mit dem Mutterschutzgesetz reichen. Für weitere Fragen stehe ich natürlich jederzeit zur Verfügung! Falls Ihr noch andere Umsetzungen hinsichtlich des Mutterschutzgesetzes kennen solltet, könnt Ihr die selbstverständlich gerne in den Kommentaren ergänzen.
Ich wünsche Euch einen schönen Abend und all den werdenden Mamis da draußen eine wunderschöne, komplikationslose Schwangerschaft und eine schöne Zeit mit dem neuen Menschlein!
Eure franzi 😉
Quelle:
Letzter Zugriff jeweils: 11.05.2021, 15:30h
https://www.gesetze-im-internet.de/muschg_2018/__1.html
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/gesetz-zur-neuregelung-des-mutterschutzrechts-73762
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Seit der Neuerung des Mutterschutzgesetzes 2018 müsste der Arbeitgeber für jeden Arbeitsplatz schon eine Gefährdungsbeurteilung Mutterschutz erstellen, bevor je eine Frau auf diesem Arbeitsplatz schwanger wird und nicht wie früher erst nach Bekanntgabe der Schwangerschaft. Sinn der Novellierung war U.a. weniger Frauen ins Beschäftigungsverbot zu schicken, da man sich schon vorher Gedanken über die Maßnahmen/Umsetzung gemacht hat. Dass das insbesondere in den Kliniken aber eher “altmodisch” gehandhabt wird, ist vermutlich jedem klar 😀