Hallo Ihr Lieben!
Heute gibt es von mir den zweiten Teil der Reihe “Eure Fragen, meine Antworten“. Da immer wieder Fragen aufkommen, wird dieser Bereich wahrscheinlich auch ein “Open End” haben, also nicht böse sein, wenn Eure Fragen erst in späteren Beiträgen beantwortet werden. Ich werde aber definitiv in diesen Posts alle Fragen ausführlich beantworten !
Und nun zu Euren Fragen:
Wie ist die Arbeitsatmosphäre unter den Kollegen und den Ärzten?
Bei uns ist die Arbeitsatmosphäre unter Kollegen und Ärzten wirklich gut. Man kann immer viel miteinander lachen und auch den ein oder anderen Witz machen. Natürlich gibt es immer Ausnahmen, aber das ist ja auch vollkommen normal. Und dies ist auch immer von der Situation abhängig.
In der Unfallchirurgie kommt es deutlich häufiger vor, dass man sich mal gegenseitig auf den Arm nimmt und es auch generell etwas lockerer zu geht. In der Neurochirurgie sieht dies beispielweise wieder ganz anders aus. Aber wenn jemand gerade am Gehirn am operieren ist und dann beispielsweise durch einen Scherz sich nicht mehr ganz zu 100% konzentriert, dann kann dies eben auch gravierendere Folgen haben als bei einer Schraube die man beispielsweise in den Unterschenkel schraubt. Ich hoffe Ihr versteht, was ich meine.
Aber grundsätzlich versteht man sich mit den meisten Chirurgien wirklich gut und macht auch mal privat etwas zusammen. Sei es ein Sommerfest, eine Weihnachtsfeier, ein runder Geburtstag oder einfach nur ein Tagesausflug.
Unter uns Kollegen trifft das übrigens ebenfalls zu. Man ist auf Hochzeiten eingeladen, auf Geburtstagen, veranstaltet auch mal die ein oder andere Feier mit der Anästhesie zusammen oder trifft sich im Biergarten oder auch auf dem Weihnachtsmarkt. Von Jung bis Alt sind alle hierfür immer zu haben – sogar die Chefs!
Was war bisher deine schönste und deine schlimmste Erfahrung im Job?
Schönste Erfahrung:
Mein Einsatz in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Es gibt einfach nichts schöneres im OP, als zu sehen wie ein neues Leben auf die Welt kommt. Erst recht wenn dies auch noch Gemini-Schwangerschaften, also Zwillinge, sind. Ich durfte in der Ausbildung auch hierbei instrumentieren und beispielsweise auch die Nabelschnur durchschneiden.
Gegen Ende der Ausbildung wurde ich nahezu freundschaftlich in das Endoprothetik-Team integriert und es war wirkich schön zu sehen, wie sehr sich der Oberarzt, bei dem ich meine Prüfung machen wollte, für mich engagiert hat. Als ich ihm sagen musste, dass ich nach meinem Abschluss nicht an der Klinik bleiben würde, war dieser sehr traurig darüber und hat mir versprochen, dass er immer eine Stelle für mich frei hätte, wenn ich zurück kommen wollen würde. Ich denke das ist mit das Schönste, was man hören kann 🙂
Schlimmste Erfahrung:
Während der Ausbildung habe ich, beziehungsweise haben wir Schüler, die Erfahrung machen müssen, dass wir in den Kliniken als “lästig” empfunden wurden (hauptsächlich von den älteren OP-Schwestern). Dies haben wir auch deutlich zu spüren bekommen: gerne hieß es mal “ich will nicht wieder mit der Schülerin im Saal sein” oder “sch*** OTA-Schüler”.
Manch einer wurde sogar richtig gemobbt, indem beispielsweise absichtlich Sachen, die zur Zählkontrolle gehörten, versteckt wurden (das war Gott sei Dank nicht bei mir – sonst hätte ich bestimmt direkt hingeschmissen).
Und man muss hierzu sagen, dass wir für diejenigen ja eigentlich eine große Hilfe waren: Ohne wäre sonst sicherlich der ein oder andere Saal geschlossen worden.
Unseren Auszubildenden geht es aktuell leider nicht anders. Keine Sorge: Wir mobben diese nicht und sind froh, das Personal zu haben! Und hier liegt das kleine Problem: Unsere Azubis sind leider viel zu oft alleine im Saal eingeteilt und müssen wie examinierte Kräfte funktionieren. Aber wir versuchen – so gut wie es einfach möglich ist – alle in unser Team zu integrieren und ich würde auch behaupten, dass es uns gut gelingt.
Hast du schon mal einen Patienten gesehen, der es während der OP nicht geschafft hat?
Indirekt. In meinem Saal selbst ist bisher noch keiner bei der OP verstorben. Ich hatte es bis jetzt jedoch schon zwei mal, dass im Nachbar-Saal ein Patient die OP nicht überlebt hat.
Es ist auch zwei Mal vorgekommen, dass die Patienten nach der OP, bei der ich mit dabei war, auf Station kurze Zeit später verstorben sind.
Falls ja, wie bist du damit umgegangen?
So kaltherzig und hart wie dies jetzt auch klingen mag: Ignorieren – nicht großartig drüber nachdenken und nicht an sich “heran” lassen.
In solchen medizinischen Berufen ist es einfach nicht möglich, wenn man das, was man erlebt hat, an sich heran lässt und sich dadurch belastet. Natürlich ist das einfach gesagt und auch ich denke darüber länger nach – besonders wenn es noch junge Patienten sind. Aber man muss einfach eine persönliche Distanz zu dem, was auf der Arbeit passiert, wahren können.
Mir hilft es immer, wenn ich beispielsweise mit meinen Kollegen darüber rede. In einer “zensierten” Variante rede ich aber auch mit meiner Familie darüber, denn das “von der Seele reden” bringt mir persönlich einfach sehr viel und hilft mir mit solchen Thematiken umzugehen.
Wie kommst du mit den Schichten zurecht? War es zu Anfang schwer, sich darauf einzustellen?
Dadurch, dass wir bei uns in der Klinik keine richtigen Schichten haben, komme ich an sich ganz gut damit zurecht. Es kommt natürlich immer darauf an, wie anspruchsvoll der Dienst war und wie lange man durchgearbeitet hat. Wenn ich beispielsweise durchgehend bis nachts um 3 arbeite, dann bin ich sowohl am nächsten Tag, als auch am darauffolgenden nicht wirklich zu gebrauchen und laufe wie Falschgeld rum. Mein Freund würde an dieser Stelle sicherlich sagen, ich benehme mich dann meist wie ein kleines, quängeliges Kind 😀
Man könnte einen solchen Dienst sicherlich auch mit Muskelkater vergleichen. Am Tag nachdem Ihr Eure Muskeln trainiert habt, ist der Kater schon schlimm, aber am nächsten ist es meist noch ein Hauch schlimmer.
Zum Glück hat man nicht immer solche Dienste. Auch, wenn ich momentan eine Flaute habe und im Dienst nie vor Mitternacht auf mein Bereitschaftszimmer kann, muss ich sagen, dass dieses System eher für mich geeignet ist. Man hat nämlich am Tag nach dem Dienst frei und bekommt dann auch einiges erledigt. Ich leg mich nämlich fast nie nach dem Dienst zuhause wieder ins Bett und schlafe noch etwas, sondern fange meist direkt mit dem Haushalt an.
Und glaubt mir, wenn man um 8 Uhr morgens anfängt alles mögliche zu erledigen, dann könnt Ihr abends auch gut schlafen und habt vor allem jede Menge geschafft am Tag!
Im Dienst durchzuarbeiten ist in etwa wie, wenn man abends feiern geht. Man war den ganzen Tag schon wach, aber dadurch, dass man die ganze Zeit beschäftigt ist, hält man sich automatisch wach. Manchmal hilft aber auch der ein oder ander Energy-Drink oder Kaffee.
Für mich ist das Dreischichten Modell keine Option, da ich am Tag einfach nicht schlafen kann. Somit könnte ich persönlich für den Nachtdienst einfach nie “vorschlafen” und würde wahrscheinlich an chronischem Schlafmangel leiden.
Wie ist das mit den Pausen geregelt?
Offiziell gilt es, dass die Pause zwischen 12 und 14 Uhr stattfinden muss. Bei uns ist das so gereglet, dass der Bereitschaftsdienst unter der Woche um 11:30 zum Dienst kommt und dann die Kollegen zur Pause auslöst. Also meist zuerst den Springer und dann löst dieser den Instrumentierenden für jeweils 30 Minuten aus.
Ich versuche das immer so handzuhaben, dass ich viele Kollegen gleichzeitig auslösen kann. Am besten eignet sich hiefür ein Wechsel zwischen zwei Operationen. Denn so kann ich direkt beide Kollegen aus dem Saal schicken, sobald die Naht erfolgt ist. Anschließend bereite ich alles vor und während die Saalbesetzung in Ruhe ihre Pause macht.
Je nach Operation löse ich auch mal zwei Säle parallel aus. So beispielsweise in der Neurochirurgie oder Allgemeinchirurgie. Natürlich nur bei Operationen, wo man während der OP nicht besonders viele weitere Materialien benötigt oder es ein hohes Komplikationsrisiko gibt!
In meiner alten Klinik gab es das Dreischichtsystem, wie ich eben oben erwähnt habe. Hier kommt ebenfalls ein Dienst zur Mittagszeit, der dann die Kollegen zur Pause auslöst. Da es hier jedoch mehrere Spät- oder Mitteldienste gibt, können auch mehrere gleichzeitig Pause machen. Im Bereitschaftsdienstmodell wie es bei uns vorzufinden ist, gibt es eben nur 2 Mitarbeiter, die zur Pause auslösen können.
Je nach Operation und Krankenhausgröße kann es aber auch sein, dass der OP mal für eine halbe Stunde still steht und alle geschlossen Pause machen – natürlich nur, wenn die letzte Operation beendet wurde. Wenn es eine sehr lange und komplexe OP gibt, habe ich es jedoch auch schon erlebt, dass die Chirurgen und die OP-Pflege für 10-20 Minuten den Saal verlassen, schnell was essen und trinken, und dann weiter operieren. Der Anästhesist bleibt hierbei natürlich beim Patienten und sorgt dafür, dass die Narkose tief genug ist.
Meiner Meinung nach ist dies auch ratsam, denn wenn wir ehrlich sind: Wer will schon einen Mechaniker an seinem Auto haben, der mehrere Stunden ununterbrochen durchgearbeitet hat und möglicherweise aufgrund von Dehydration und Hypoglykämie (=Flüssigkeitsmangel und Unterzuckerung) einen Fehler macht. Da es hier sogar um den menschlichen Körper geht und auch Menschenleben, ist die Notwendigkeit noch höher. Aber leider gibt es bei anderen Berufen, wie etwa den des Bankmitarbeiters, einen viel geregelteren Tagesablauf und Pausenrhythmus, als bei uns. Da sollte man in der Gesellschaft mal darüber nachdenken, warum das so ist und ob das wirklich so sein darf.
Das sollte erst mal wieder reichen. Sagt mir doch in den Kommentaren bitte, ob diese Länge für Euch in Ordnung ist, es zu viel oder vielleicht sogar zu wenig Inhalt ist. Ich kann es einfach schlecht einschätzen, daher brauche ich da Eure Mithilfe 🙂
Habt ein schönes Wochenende!
Eure franzi 🙂