Hallo ihr Lieben!
Nach längerer Abstinenz gibt es heute mal wieder einen fachlichen Beitrag, wofür ich mir wieder eine Fachkraft als Unterstützung gesucht habe, die sich mit der Anästhesiepflege einfach deutlich besser auskennt als ich. Daher gebe ich direkt mal das Wort weiter an die liebe Helen:
Hallo und herzlich willkommen auf der anderen Seite des grünen Tuchs!
Franzi hat mich gefragt, ob ich einen Gastbeitrag über die Anästhesiepflege schreiben möchte, was mich wirklich sehr gefreut hat und ich auch gerne mache.
Ganz kurz zu mir: ich bin examinierte Gesundheits- & Krankenpflegerin und arbeite seit meinem Examen in der Anästhesiepflege. Bis Mitte 2020 war ich an einer großen Uniklinik und habe dann an ein kleineres Haus gewechselt. Ursprünglich wollte ich auch mal Medizin studieren. Während der Ausbildung hatte ich einen Wunscheinsatz im OP, weil ich die Arbeit der OP-Pflege unheimlich spannend fand. Dieser Wunscheinsatz umfasste auch einen Teil in der Anästhesie – irgendwie bin ich da dann hängen geblieben. Aber was macht die Anästhesiepflege denn nun eigentlich außer den ganzen Tag Kaffee trinken und nichts tun?
Tagesablauf im Frühdienst
In den meisten Kliniken beginnt der Frühdienst in der Anästhesie zwischen 7:00 Uhr und 7:15 Uhr, also etwas früher als bei der OP-Pflege. Zu Arbeitsbeginn treffen wir uns kurz im Team und bekommen eine Übergabe vom Bereitschaftsdienst. Telefon, BTM-Schlüssel (= Schlüssel für Medikamente, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen), sowie Besonderheiten aus der Nacht werden übergeben. Im Anschluss geht jeder in seinen zugewiesenen Operationssaal.
Dort werden als erstes die Beatmungsgeräte in der Einleitung und im Saal auf die Funktionsfähigkeit überprüft. Während der Selbsttest durchläuft, bereite ich das Material für die Narkose vor. Dieses variiert je nach Operationseingriff und Narkoseform. Mal braucht man mehr und mal weniger.
Als Anästhesiepflege ist man unter anderem für die Überwachung des Patienten während der Operation mitverantwortlich. Das Standardmonitoring bei gewöhnlichen OPs umfasst die Pulsoxymetrie, Blutdruckmessung und das EKG. Während ich meine Patienten an die sogenannte Überwachung anschließe, frage ich die Punkte der WHO-Checkliste ab, um sicherzustellen, dass es sich um den richtigen Patienten und den richtige Eingriff handelt.
Dies gibt mir jedoch auch Auskunft über den jeweiligen psychischen und neurologischen Zustand des Patienten. Im Anschluss lege ich einen peripheren Venenzugang, kurz pVK (auch Flexüle, Viggo uvm. genannt), und schließe eine Infusion an. Zwischen Ankabeln, Materialien richten und pVK legen kommen normalerweise die Ärzte dazu.
Arbeitsablauf bei einer Allgmeinanästhesie
Jetzt geht es mit der eigentlichen Anästhesie los. Bei einer normalen Allgemeinanästhesie – der Patient wird also „schlafen gelegt“ – beginnen wir mit der Präoxygenierung. Es wird eine Maske vorgehalten aus der 100% Sauerstoff strömt. Ziel ist es die Lungen so gut wie möglich mit Sauerstoff zu versorgen, um einen Puffer für die eigentliche Narkoseeinleitung zu schaffen.
Sobald die Sauerstoffsättigung im Blut hoch genug ist, wird das erste Medikament über den vorab gelegten Zugang verabreicht. In der Regel ist dies ein starkes Schmerzmittel (Opioid). Dieses kann unter anderem Schwindel beim Patienten auslösen. Spürt der Patient diese Empfindung mitteilt, folgt das Schlafmittel (Hypnotikum). Wenn die Wirkung eingetreten ist, wird ein Medikament gegeben, welches die Muskeln erschlaffen lässt (Muskelrelaxanz), gegeben.
Dann folgt die Intubation mittels eines Tubus (= einem Plastikschlauch) in die Trachea (Luftröhre) oder einer Larynxmaske (= Plastikmaske, die auf dem Kehlkopf aufliegt). Sobald die Beatmung gesichert ist, wird gegebenenfalls ein zweiter Zugang gelegt bevor es weiter in den eigentlichen OP-Saal geht. Bei größeren Eingriffen werden mehrere Zugänge benötigt. Hierbei assistieren wir den Ärzten beispielsweise beim Legen einer arteriellen Druckmessung, eines zentralen Venenkatheter (ZVK) und legen selbst einen Blasendauerkatheter oder weitere pVKs.
Bevor wir in den Saal fahren, bauen wir unser Equipment gemeinsam mit den Anästhesisten in der Einleitung ab und im Anschluss im OP-Saal wieder auf. Bei Notfalleingriffen in lebensbedrohlichen Situationen sparen wir uns diesen Umzug und leiten direkt im Saal ein. Denn Zeit kann in diesem Fall sonst tatsächlich Leben kosten.
Sobald wir die Freigabe erteilt haben, wird der Patient entsprechend für die jeweilige OP gemeinsam mit dem chirurgischen Team gelagert. Während das OP-Gebiet desinfiziert wird, holen wir unsere Dokumentation nach und führen diese im Anschluss auch fort. Bevor der Hautschnitt erfolgt, wird meistens nochmal ein Schmerzmittel verabreicht. Ist der Patient stabil, gehe ich als Anästhesiepflegekraft zurück in die Einleitung, um wieder alles aufzubereiten (aufzuräumen). Dann bereite ich auch schon die Narkose für die nachfolgende Operation vor. Bei Komplikationen oder schwierigen Operationen bin ich als Pflegekraft natürlich dauerhaft im Saal und unterstütze den Anästhesisten.
Weitere Aufgaben der Anästhesiepflege
Gibt es keine Komplikationen und der Eingriff nimmt seinen Lauf, löse ich meine Kollegen auch für eine kurze Pause aus, fülle die verbrauchten Materialien auf, helfe in Nachbarsälen oder springe auch mal für die OP-Pflege – Zeit zum Kaffee trinken bleibt also wenig.
Zum Ende der OP werden die Medikamente, die die Narkose aufrechterhalten, reduziert. Die Atmung setzt wieder vollständig ein, und der Patient wird „wach“. Sobald die selbstständige Atmung suffizient (=zufriedenstellend) ist und eine adäquate Reaktion auf Ansprache erfolgt, wird der Beatmungsschlauch oder die Beatmungsmaske entfernt.
Nach der Narkose erfolgt eine engmaschige Überwachung durch die Anästhesiepflege im Aufwachraum. Dort werden Kreislauf und Atmung überwacht, bei Bedarf Schmerzmittel verabreicht oder Medikamente gegen Übelkeit gegeben. Ist der Patient stabil, wird er durch die Anästhesisten freigegeben, was jedoch nicht in allen Kliniken stattfindet. Mit dieser Freigabe wird die Station benachrichtigt und die Patienten werden abgeholt, um wieder zurück auf ihr Zimmer zu kommen.
Auch bei Regionalanästhesien findet eine postoperative Überwachung statt. Je nach Hausstandard, kann dies jedoch auch auf der jeweiligen Station stattfinden.
Eine Verlegung auf die Intensivstation erfolgt meist aufgrund von Komplikationen, bei lebensbedrohlichen Notfalleingriffen oder bei großen geplanten Eingriffen. Hierbei ist es zwingend notwendig, dass der Transport bis zur Schleuse und auch zur Intensivstation von einem Anästhesisten und der Anästhesie- oder Intensivpflegekraft begleitet wird.
Einsatzgebiete der Anästhesiepflege
Neben Gesundheits- und Krankenpflegern mit und ohne Fachweiterbildung Anästhesie- / Intensivpflege arbeiten auch Anästhesietechnische Assistenten (ATA) in der Anästhesiepflege. Unsere Einsatzgebiete sind sehr vielseitig. Im OP unterscheidet sich unsere Tätigkeit häufig innerhalb der Fachgebiete und je nach OP. Neben dem OP sind wir im sogenannten Aufwachraum tätig, wo wir die Patienten nach den Operationen überwachen. Auch der Schockraum gehört zu unserem Einsatzgebiet. Hier kommen die lebensbedrohlichen Notfälle, die der Rettungsdienst in die Klinik fährt, für die Erstversorgung an und man verschafft sich hier auch einen Überblick über den Zustand des Patienten.
Bei geburtshilflichen Notfällen oder teilweise auch zur PDA-Anlage (ja nach Hausstandard), zählt auch der Kreißsaal zu unseren Einsatzgebieten. In manchen Häusern ist die Anästhesiepflege Teil des REA-Teams (=Reanimationsteam) – es ist also alles in allem ein sehr abwechslungsreiches und vielseitiges Arbeitsfeld.
Bereitschaftsdienst
Nicht nur bei der OP-Pflege gibt es rund um die Uhr Notfälle, sondern auch bei uns. Denn sowohl ohne die OP-Pflege, als auch ohne uns, können keine Notfalloperationen stattfinden. Es gibt verschiedene Modelle zur Gestaltung des Bereitschaftsdienstes. Ich kenne am Wochenende sowohl 12-Stunden-Schichten als auch 24-Stunden-Schichten. In der Nacht genauso 12-Stunden-Schichten und auch 20-Stunden-Bereitschaftsdienste. Das unterscheidet sich wieder von Haus zu Haus.
Oft müssen wir auch nachts raus in den Schockraum oder Kreißsaal, während die OP-Pflege weiterschlafen darf. Glücklicherweise überwiegen die Dienste in denen man wenigstens ein paar Stunden schlafen kann und nicht komplett durcharbeitet.
Je nach Größe der Klinik gibt es – wie ebenfalls bei der OP-Pflege – auch das Drei-Schicht-System. Also Früh-, Spät- und Nachtschicht.
Somit sind wir auch schon am Ende des groben Überblicks rund um das Arbeitsfeld der Anästhesiepflege. In einem zweiten Teil werden die unterschiedlichen Narkoseformen erläutert. Denn sonst hätte es diesen Beitrag einfach zu sehr in die Länge gezogen.
Franzi und ich hoffe Euch hat dieser kleine aber feine Einblick gefallen und Ihr könnt nur mit neuen Erkenntnissen in eine neue Woche starten!
*Eigenwerbung: Für ATAs und Anästhesiepflegekräfte habe ich gemeinsam mit der lieben Helen ein Notizbuch entworfen, damit man alles wichtige auf einem Blick mit sinnvoller Gliederung immer griffbereit hat.