Die Organspende und was ich hierzu wissen sollte

Die Organspende – ein Thema, das aufgrund der gescheiterten Widerspruchslösung aktuell wieder sehr stark in den Medien und der Presse vertreten ist. Daher möchte ich Euch heute einige wichtige Fakten und Erfahrungen zur Organspende liefern und so ein bisschen mehr zur Aufklärung beitragen.


Die Geschichte der Transplantationsmedizin

Der Vollständigkeit halber nehmen wir zunächst einen kleinen Einblick in die Entwicklung der Transplantationsmedizin. Den Ursprung findet man in der plastischen Chirurgie und das bereits schon ca. 1000 v. Chr. – also sehr sehr früh! Damals haben die alten Ägypter beispielsweise Zähne transplantiert und indische Ayurveda-Ärzte haben bereits Nasenplastiken durchgeführt.

So richtig los ging es mit der Organspende jedoch erst im 19. Jahrhundert. Theodor Kocher, der Berner Chirurg, verpflanzte erstmalig 1883 einem jungen Patienten menschliches Schilddrüsengewebe unter die Haut und in die Bauchhöhle. Hierdurch wollte er Wachstums- und Entwicklungsstörungen bei seinem Patienten, dem zuvor die Schilddrüse aufgrund einer Struma entfernt worden war, lindern. Wie wir heute wissen, hat er hiermit zu einem großen Erfolg für die Transplantationsmedizin beigetragen.

Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die erste Niere transplantiert, gefolgt von Lunge, Leber und Herz einige Jahre später. Aufgrund der fehlenden Erfahrung war die Überlebensrate damals sehr gering, zumal man sich auch noch in der Forschung rund um die Abstoßungsreaktion befand. Denn aufgrund der HLA-Antigene (human leukocyte antigen), an denen sich das Immunsystem orientiert um zwischen körpereigen und körperfremd zu unterscheiden, kommt es nicht nur zu einer Barriere gegenüber Infektionen, sondern auch kröperfremdem Gewebe. Die Folge ist eine Abstoßung, der deshalb lebenslang mit Immunsuppressiva entgegengewirkt werden muss.

 

Koordination der Organspende

Doch wie kommt es eigentlich zu einer Organspende? Nun, zunächst muss der potentielle Spender einen Organspendeausweis besitzen, in dem sein Einverständnis hinterlegt ist. Ist dies nicht der Fall, dann müssen die Angehörigen laut folgender Rangfolge die Entscheidung fällen: 1. Ehegatte, 2. volljährige Kinder, 3. Eltern/Vormund, 4. volljährige Geschwister, 5. Großeltern. Im Organspendeausweis selbst könnt Ihr auch vermerken welche Organe Ihr gegebenenfalls nicht spenden möchtet oder generell verweigern. Selbstverständlich muss für eine Organspende auch der Hirntod festgestellt werden – hier gehe ich später nochmal genauer drauf ein.

Gibt es einen Spender, dessen Organe auch die notwendigen Erforderungen erfüllen, werden die medizinisch relevanten Daten an die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) durchgegeben. Diese leitet sie an die Stiftung Eurotransplant weiter, welche ein Verbund aus den sieben Ländern Deutschland, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Slowenien und Kroatien ist. Aufgrund der geringen Organspendebereitschaft hat sich dieser Bund gebildet, damit es für die Hohe Zahl an Patienten mit Organinsuffizienzen eine realistische Chance auf eine Rettung gibt.

In einer großen Datenbank werden nun geeignete Empfänger für die Organe gesucht. Die Kriterien hierbei sind die Erfolgsaussichten und Dringlichkeit einer Organspende, die Wartezeit und die Verträglichkeit der möglichen Spende. Dabei müssen die Blutgruppen und HLA-Merkmale kompatibel sein.

Über einen Koordinator der DSO wird die Organentnahme organisiert, die Transplantationszentren sind ebenfalls in den Startlöchern und haben die potentiellen Empfänger auch zu sich in die Klinik gebeten. Ob ein Organ wirklich transplantiert werden kann entscheidet sich immer erst während der Entnahme. Grundsätzlich wird aufgrund eines möglichen Interessenkonfliktes eine Entnahme und Transplantation von Organen nie in ein- und derselben Klinik durchgeführt. Die Transplantationszentren schicken Chirurgen aus ihren Kliniken zu der Entnahmeklinik. Diese stellt wiederum das OP-Personal für die Explantation, sowie die benötigten Materialien.

Das Gehirn, gemalt von der Lieben Carries_anatomy. franzis-Blogstory.schreibnacht.de
Das Gehirn, gemalt von der lieben Carries_anatomy. OTA-franzi.de

 

Die Hirntoddiagnostik

Der Hirntod wird laut Richtlinien der Bundesärztekammer als Zustand einer irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Hirnstamms sowie des Groß- und Kleinhirns. Lediglich durch die kontrollierte Beatmung werden Herz- und Kreislauffunktionen aufrechterhalten. Die Kardinalsymptome für einen potentiell eingetretenen Hirntod sind: tiefes Koma, Hirnstamm-Areflexie und Apnoe.

Ein Hirntod kann beispielsweise als Folge einer Hirnblutung (spontan oder traumatisch bedingt) auftreten. Durch die Hirnblutung steigt der Hirndruck – wird dieser nicht rechtzeitig durch eine Bohrloch-Trepanation gesenkt, kommt es zu einem Sauerstoff- und Nährstoffmangel. Nervenzellen im Gehirn sterben ab und die Hirnfunktion wird irreversibel geschädigt. Äußerlich erkennt man lichtstarre Pupillen.

Auch wenn das Atemzentrum im Hirnstamm irreversibel geschädigt ist und es dadurch zum Atemstillstand kommt, kann das Herz weiterhin schlagen. Das Herz besitzt durch den Sinusknoten ein eigenes Erregungszentrum, dadurch ist es ihm möglich, auch nach dem Hirntod begrenzt weiter zu schlagen. Dieses Weiterschlagen wird durch die künstliche Beatmung und das Fortsetzen der Intensivmedizinischen Therapie verlängert. Ohne würde die Zeitspanne ca. 5-10 Minuten betragen. Nur durch dieses eigene Erregungzentrum und der weiteren Beatmung ist eine Organspende möglich. Würde der Patient nicht weiter beatmet werden, würden alle Organe unter anderem durch den Sauerstoffmangel zugrunde gehen.

Trotz des Hirntodes kann der Patient noch Reflexe zeigen, die Zweifel am Tod aufkommen lassen. Diese Reflexe werden auch Lazaruszeichen genannt. Zu finden sind sie beispielsweise als Bewegungen an den Extremitäten, Blutdruckschwankungen, ein Anstieg der Herzfrequenz oder aber Schwitzen. Dieses Phänomen lässt sich folgendermaßen erklären:

Durch den Hirntod kann das Rückenmark über einen bestimmten Zeitraum Impulse aufgrund von eigenständigen Verbindungen – beispielsweise zur Muskulatur – ausführen. Normalerweise wären diese Verbindungen durch das Gehirn gehemmt und es würden lediglich Impulse aus Arealen den Groß- und Kleinhirns über das Rückenmark weitergeleitet. Also keine eigenständigen Handlungen.

Besser vorstellen kann man sich das Phänomen der weiteren Bewegung trotz Hirntod bestimmt anhand eines geköpften Huhns. Sicherlich hat der ein oder andere unter uns schon mal davon gehört oder gelesen, dass Hühner nachdem dessen Kopf abgeschlagen wurde, noch für eine kurze Zeit weiterrennen oder fliegen. Und so ähnlich ist das bei uns Menschen mit vorhandendem Hirntod auch.

Aufgrund dieser eigenständen Bewegungen und Aktivitäten unseres Organismus nach dem Hirntod müssen für eine Organspende weiterhin Schmerzmittel und Muskelrelaxantien gegeben werden. Denn sonst bestünde die Möglichkeit, dass die Organentnahme durch einen Reflex auf den Schmerzreiz des Skalpells oder auch durch den Einfluss auf den Blutdruck gefährdet wäre.

 

https://www.pexels.com/de-de/foto/aufnahme-daten-diagramm-ecg-415779/
https://www.pexels.com/de-de/foto/aufnahme-daten-diagramm-ecg-415779/

 

 

Bildgebende Verfahren der Hirndurchblutung

Die Durchblutung des Gehirns kann man durch verschiedene Verfahren überprüfen. So zum Beispiel bei einer Hirn-Angiographie (Gefäßdarstellung). Hierfür wird dem Patienten ein Kontrastmittel über einen venösen Zugang gespritzt, welches sich im Anschluss auf einem Röntgenbild in den cerebralen Gefäßen zeigt. Wird diese Untersuchung bei einem gesunden Patienten durchgeführt, erkennt man den ganzen Verlauf der Blutgefäße im Gehirn, inklusive der Verästelungen. Ist der Patient jedoch hirntot, so ist das Gehirn gänzlich von der Blutversorgung abgeschnitten. Bei einer cerebralen Angiographie erkennt man nicht mehr die ganzen Verästelungen der Blutgefäße, sondern “gähnende Leere”.

Die Durchblutung des Hirns kann auch mittels Hirnperfusions-Szintigraphie dargestellt werden. Dafür wird dem Patienten eine schwache radioaktive Substanz über einen Zugang verabreicht. Ist der Patient gesund, reichert sich diese radioaktive Substanz in den jeweils gut durchbluteten Hirnabschnitten an. Über eine spezielle Kamera kann man diese Darstellung über mehrere Stunden nachweisen. Das so radioaktiv angereicherte Hirngewebe erscheint dunkel.
Bei einem Patienten mit einem Ausfall der Hirnfunktionen findet man keine radioaktive Substanz im Hirngewebe vor, weshalb das Bild des Kopfes hell, bzw. “leer” erscheint.

Über die Elektroenzephalographie (EEG) kann man die Hirnströme festellen. Das Bild kann man sich ähnlich wie bei einem EKG (Elektrokardiogramm) vorstellen. Bei einem gesunden Patienten sind hier viele “Wellen”, also Aktivitäten von Nervenzellen. Ein Patient mit einem Funktionsausfall des Gehirns hat keine Kurven oder Wellen. Ähnlich wie bei einem EKG eines Patienten mit Herzstillstand findet man auf dem EEG eines Hirntoten gerade Linien. Also nichts. Eine hirnelektrische Stille.

 

Die Diagnostik

Beim Verdacht auf einen Ausfall der gesamten Hirnfunktion müssen unter anderem die oben genannten Untersuchungen durchgeführt werden. Die Hirntoddiagnostik führen zwei Fachärzte unabhängig voneinander durch. Um einem Interessenkonflikt zu umgehen, dürfen diese Fachärzte selbst nicht an der Organentnahme oder der Transplantation beteiligt sein. Einer dieser Untersucher sollte seinen Facharzt in der Neurologie oder Neurochirurgie haben. Ebenfalls wird eine mehrjährige Erfahrung in der intensivmedizinischen Behandlung von Patienten mit Hirnschädigungen vorausgesetzt. Der Nachweis über die irreversible Hirnschädigung erfolgt in Abhängigkeit von Ursache und Alter des Patienten in unterschiedlich langen Beobachtungszeiträumen.

 

Tiefes Koma

Es gibt einen großen Unterschied zwischen “normalem” Koma und dem tiefen Koma. Ein “normaler” komatöser Patient zeigt beispielsweise Reflexe beim Absaugen von Bronchialsekret in Form von Husten oder Würgen. Der Blutdruck und auch der Puls steigen durch diese Reflexe ebenfalls an. Letztlich beginnt dieser Patient sich gegen den Tubus und die künstliche Beatmung zu wehren. Patienten im tiefen Koma zeigen keine Reaktion auf äußere Reize. Sowohl die Bewusstseinsleistungen, die zielgerichtete Motorik als auch die vegetative Regulation beispielsweise der Körpertemperatur, des Blutdrucks und Puls ist nicht gegeben.

Das Auge, gemalt von der Lieben Carries_anatomy. franzis-Blogstory.schreibnacht.de
Das Auge, gemalt von der lieben Carries_anatomy. OTA-franzi.de

 

Funktionsverlust des Hirnstamms

Damit die Hirnstamm-Areflexie zweifelsfrei überprüft werden kann, muss die Schmerzmedikation des Patienten abgesetzt werden. Durch folgende Prüfungen wird ein Verlust der Hirnnervenreflexe festgestellt:

1. Pupillenlichtreflex: hierbei wird in die Augen geleuchtet, um zu sehen, ob sich die Pupillen verengen.

2. Okulozephaler/Vestibulookulärer Reflex: der Kopf wird hierfür langsam bewegt und es wird überprüft, ob sich die Augen jewels zur Gegenseite bewegen. Sprich dreht man den Kopf nach links, bewegen sich die Augen nach rechts. Das könnt Ihr bei Euch auch selbst überprüfen, indem Ihr den Kopf zur Seite dreht, aber weiterhin einen Punkt mit den Augen fixiert.

3. Hornhautreflex: mit einem Wattestäbchen wird hierbei die Hornhaut, die äußerste Schicht des Auges, berührt. Dadurch soll ein reflektorisches Schließen des Augenlids provoziert werden.

4. Schmerzreaktion im Gesicht: auf diesen äußeren Reiz reagieren selbst Patienten im tiefen Koma mit Muskelzuckungen und Abwehrbewegungen der Kopf- und Halsmuskulatur.

5. Würge- und Hustenreflex: wird die hintere Rachenwand, beispielsweise durch das Absaugen von Trachealsekret, berührt, kommt es zu einem Husten- und Würgereflex.

 

Apnoe Test

Durch den Apnoetest soll das Vorhandensein der Spontanatmung oder der Atemstillstand festgestellt werden. Die unbewusst ablaufende Atmung ist ein lebenswichtiger Reflex! Zur Überprüfung wird hierfür die maschinelle Beatmung ausgestellt. Dadurch steigt durch den Verbrauch des Sauerstoffs der Kohlendioxidgehalt im Blut. Das Atemzentrum im Gehirn wird durch den erhöhten Kohlendioxidgehalt aktiviert, und ein Atemzug auslöst. Findet dieser Atemzug-Reflex nicht statt, liegt ein Ausfall des Atemzentrums vor.

 

Kontraindikationen einer Organspende

Nicht jeder Patient, der für eine Organspende in Frage kommt, darf auch spenden. Dazu gibt es auch eine sehr gute Folge bei Scrubs, die die Folgen einer Kontraindikation zeigt. Denn bei gewissen Ausschlusskriterien kann es beispielsweise zu einer Übertragung von schwerwiegenden Erkrankungen kommen, wovon der Spendeempfänger letztendlich auch nichts gewonnen hat.

Bei folgenden Krankheitsbildern ist eine Organspende trotz vorhandenem Hirntod nicht möglich: HIV-Infektionen, Drogenabhängigkeit (mal abgesehen davon, dass die Organe hierbei meist nicht brauchbar sind), aktive (floride) Tuberkulose, Sepsis durch nachgewiesenen multiresistenten Keim, therapiefraktäre (auf Therapie nicht ansprechende) systemische Infektionen durch Viren oder Pilze, Malignome (bösartiger Tumor), Organversagen und unklare neurologische Grunderkrankungen.

 

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Ablauf einer Organentnahme

Die Stimmung bei einer Organentnahme ist wirklich sehr besonders. Wir als OP-Team bereiten hierfür die notwendigen Materialien für die Explantation vor. Das heißt sowohl die Instrumente, das Nahtmaterial, Handschuhe, Verbandsstoffe, viel Spüllösung, als auch die Sets mit Kitteln und Abdeckung und natürlich den OP-Tisch. Je nachdem was alles explantiert wird, bringen die Chirurgen auch noch eigene Instrumente mit. Denn meine Klinik, die ja auch Organentnahmen durchführt, hat beispielsweise keine Spezialistrumente aus der Thorax- und Herzchirugie, weil wir diese Abteilungen selbst nicht führen.

Der Beginn einer Organentnahme scheint zunächst wie bei einer normalen Operation. Der Patient ist intubiert und beatmet, befindet sich in normaler Rückenlage, das EKG ist zu hören und das Anästhesieteam ist vor Ort. Nur sind deutlich mehr Menschen im OP als sonst. Inklusive der jeweiligen Behälter für die zu entnehmenden Organe. Manche Chirurgen führen vor dem Hautschnitt noch eine Schweigeminute durch. Eine Situation, die eine Gänsehaut hinterlässt. Meist fangen die Allgemeinchirurgen mit der Explantation an und beenden diese auch wieder. Der Schnitt erfolgt vom Halsansatz, bzw. dem Jugulum bis hin zum Schambein – also einmal komplett “von oben bis unten”.

Aufgrund der kurzen Ischämiezeit muss das Herz als erstes entnommen werden. Innerhalb von sechs Stunden nach der Entnahme muss das Herz in seinem neuen Körper wieder zum Schlagen gebracht werden. Damit dieses jedoch entnommen werden kann, muss zunächst der Herzstillstand vorbereitet werden. Dafür wird ein Katheter in die Gefäße (Aorta und Vena Cava inferior) eingeführt, wodurch schnell eine gekühlte Perfusionslösung (Konservierungslösung) gegeben wird und alle Organe durchspült. Diese Lösung hat einen hohen Kaliumgehalt und bringt dadurch das Herz zum Stillstand.

Die Perfusionisten, was oftmals Studenten sind, hängen mehrere Liter dieser Lösung an. Für uns als OP-Team ist es wichtig, dass wir ausreichend Saugerbeutel und am besten auch mehrere Sauger gleichzeitig im Einsatz haben. Denn die ganze Flüssigkeit, die in den Körper gegeben wird, muss auch wieder abgesaugt werden. Zudem werden die Bauchorgane durch gekühlte Kochsalz- oder Ringerlösung und Eisstücke gekühlt. Dieses befindet sich in von uns bereitgestellten Kochsalzschüsseln.

Zunächst werden die thorakalen Organe, also Herz und Lunge, entnommen, dann die abdominellen: Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm.

Das Anästhesieteam ist nur am Anfang der Explantation vor Ort und unterstütz den Kreislauf medikamentös. Zur Gerinnungshemmung wird Heparin gegeben. Auch werden, wie weiter oben beschrieben, Schmerzmedikamente verabreicht, eine “richtige” Narkose ist jedoch nicht notwendig. Sobald der Herzstillstand erzeugt wurde und die thorakalen Organe entnommen sind, ist der Einsatz der Anästhesie beendet. Der Intubationstubus wird entfernt und auch die Zugänge. Manche Kollegen von der Anästhesie verabschieden sich an dieser Stelle auch aus dem Saal, andere wiederum bleiben und helfen.

Die Organe werden in Beuteln mit einer Spüllösung und Eis verpackt und im Anschluss in die dafür vorgesehene Transportbox gegeben. Erst bei der Entnahme zeigt sich durch die direkte Untersuchung, ob die Organe brauchbar beziehungsweise transplantierbar sind. Jeder kleinste Makel wird in einer speziellen Dokumentation von der DSO festgehalten. Ebenfalls wird, falls noch vorhanden, die Milz auch entnommen. Diese wird jedoch nicht transplantiert, sondern für immunologische Verträglichkeitstests verwendet. Wurde die Milz früher zu Lebzeiten schon durch eine Splenektomie entfernt, werden Lymphknoten für die Verträglichkeitstests mit entfernt.

Was für uns als OP-Personal auch merkwürdig ist, ist die Tatsache, dass wir keine Dokumentation durchführen und auch keine Zählkontrolle. Theoretisch ist es nämlich nicht mehr schlimm, wenn doch ein Bauchtuch oder Tupfer im Spender verbleiben würde. Auch werden Gewebestücke, die man sonst direkt entsorgen würde im Patienten belassen – als eine Art Füllmaterial für die entnommenen Organe.

Am Ende der Explantation wird die Operationswunde des Verstorbenen wie bei allen anderen Patienten wieder verschlossen. Meist verschwinden die Chirurgen auch direkt mit der letzten Naht, sodass die Säuberung und der Verband an uns vom OP-Team “hängen” bleiben. Aber sie müssen mit den Spenderorganen auch zügig in die Transplantationszentren reisen, damit diese schnellstmöglich implantiert werden können. Es ist aber schon eine merkwürdige und schockierende Situation.

Der Verstorbene wird auch wieder ganz normal in sein Patientenbett umgelagert, das Patientenhemd wird angezogen und er wird zugedeckt. Denn wenn dieser Organspender einer unserer Angehörigen wäre, würden wir auch wollen, dass er ordentlich aussieht. Damit man sich einfach nochmal in Ruhe verabschieden kann und kein schlechtes Bild als Erinnerung hinterbleibt.

So eine Organentnahme dauert meistens um die vier bis fünf Stunden. Je nachdem, welche Organe alle entnommen werden und ob es sonst noch Klärungsbedarf bezüglich der jeweiligen Organe gibt.

Einige Zeit nach der Explantation bekommen wir vom OP-Team und Anästhesieteam aus der Entnahmeklinik von der DSO einen Brief, in dem sich für die reibungslose Zusammenarbeit bedankt wird. Auch erfährt man in diesem Brief ob die gespendeten Organe funktionsfähig sind und dem Empfänger das Leben retten konnten. In einer kleinen Tabelle sieht man ob die Organe einem Mann oder einer Frau, Erwachsenen oder Kind transplantiert wurden und wie der Zustand der Organe vorab war. Dieser Brief hilft unheimlich bei der Verarbeitung der gesamten Situation nach der Explantation.

 

Organspende - Helfen kann jeder! franzis-Blogstory.schreibnacht.de
Organspende – Eine Herzensangelegenheit. Auf dem Organspendeausweis könnt Ihr angeben ob Ihr spenden wollt, was Ihr eventuell nicht spenden möchtet oder auch Euch gegen die Organspende entscheiden. Für den Fall, dass Ihr selbst unschlüssig seid, könnt Ihr auch eine Person vermerken, die dann für Euch die Entscheidung treffen soll. OTA-franzi.de

 

 

Organspenden

Wie Ihr vielleicht schon gelesen habt, kann man Herz, Lunge, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse und den Dünndarm spenden. Aber es gibt auch noch andere Strukturen, die für eine Transplantation in Frage kommen.

So werden meist mit den großen Organen auch noch zusätzlich Teile von Gefäßen explantiert. Auch kann man das Auge entfernen, um es für eine spätere Hornhauttransplantation verwenden zu können. Damit hierbei kein “Loch” zurück bleibt, gibt es einen künstlichen Ersatz, der jedoch sehr realistisch aussieht. Man versucht auch möglichst, die ehemalige Augenfarbe zu treffen.

Knochen und Weichteilgewebe sind ebenfalls transplantierbar. Sogar Inselzellen aus der Bauchspeicheldrüse können isoliert und transplantiert werden, wenn sonst keine Notwendigkeit für eine Spende der gesamten Bauchspeicheldrüse besteht.

 

So, das war jetzt wirklich sehr viel Text und sehr viele Informationen. Ich hoffe, ich konnte sie Euch verständlich vermitteln und dass Ihr vielleicht jetzt einen besseren Überblick rund um die Organspende habt. Falls Ihr noch offene Fragen haben solltet, könnt Ihr sie gerne jederzeit stellen. Einen Organspendeausweis und Informationsmaterial könnt Ihr Euch über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder auf Organspende.info bestellen und zusenden lassen.

 

Habt noch einen schönen Abend und einen guten Start in die neue Woche!

 

Liebe Grüße

Eure franzi 🙂

 

 

*Dieser Beitrag wurde aus eigendem Interesse geschrieben und ist frei von Kooperationen oder anderen Zusammenarbeiten.
Quelle:
Informationsmaterial der Bundeszentrale für gesundheitliche Arbeit (BZgA) und Organspende.info

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4 Gedanken zu „Die Organspende und was ich hierzu wissen sollte“

  1. Hi, dankeschön für diesen ausführlichen Artikel zur Organspende! Ich bereite mich auf einen Vortrag vor und möchte vielleicht selbst mal Krankenpflegerin werden.

    Ich habe eine Frage: Warum werden trotz ausgesetzter Gehirnfunktion Schmerzmittel gegeben? Ist es möglich, dass die Spendenden doch etwas fühlen?

    Liebe Grüße, Sophia

    Antworten
    • Hallo Sophia,

      Schmerzmittel werden trotz nicht vorhandener Gehirnfunktion verabreicht, da die natürlichen Reflexe auf Schmerzreize trotzdem noch vorhanden sein können. Das ist auch einer der Gründe, weshalb viele den Hirntod nicht akzeptieren können, da der Angehörige z.B. doch auf einen Schmerzreiz reagiert hat. Aber das sind einfach natürliche Reflexe, die trotz vorhandensein eines Hirntods eben bestehen bleiben. Damit der Spender während der Operation nicht auf Schmerzreize, wie z.B. dem Hautschnitt reagiert, müssen weiterhin Analgetika verabreicht werden.

      Liebe Grüße

      Franziska

      Antworten
  2. Hallo, vielen Dank für den Artikel und auch die persönlichen Eindrücke, die du gibst und welche man oftmals in Artikeln nicht findet.

    Weißt du, wie es geregelt ist, wenn man als OTA aus moralethischen Gründen Multiorganentnahmen ablehnt? Gibt es gar eine Möglichkeit die OP zu verweigern?

    Liebe Grüße

    Antworten
    • Finden Explantationen im normalen Tagdienst statt, gibt es die Möglichkeit mit seinen Kollegen zu tauschen. Für gewöhnlich werden Organentnahmen jedoch im Dienst, das heißt spät abends bis nachts durchgeführt. In der Regel ist man zu diesen Zeiten mit nur einem weiteren Kollegen vor Ort und es gäbe die Möglichkeit einen Kollegen im Rufdienst von zu Hause in den OP zu rufen. Dies würde man jedoch nur ungerne sehen, da es recht teuer ist den Rufdienst zu aktivieren. Dieser ist im eigentlichen Sinn nur für den Fall da, dass man selbst plötzlich krankheitsbedingt nicht mehr dazu in der Lage ist zu arbeiten oder eine zusätzliche Operation parallel stattfinden soll.
      Um die Frage kurz und knapp zu beantworten: Im Tagdienst könnte man verweigern, im Nachtdienst gestaltet sich dies eher schwierig.

      Viele Grüße,
      franzi

      Antworten

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